Deutsche Versicherer verteidigen Prämienerhöhungen nach jahrelangen Verlusten

Führende deutsche Industrieversicherer rechtfertigten in einer Podiumsdiskussion zum Abschluss des kürzlich abgehaltenen virtuellen GVNW-Symposiums Prämienerhöhungen von bis zu 30% und begrenzte Kapazitäten, während einige Risikomanager große Schwierigkeiten haben, ihre Programme vollständig umzusetzen.

„Es ist bekannt, dass die Industriesparten in den letzten Jahren Verluste erlitten haben – darauf muss unbedingt reagiert werden“, sagte Henning Haagen, Chief Underwriting Officer Specialty bei Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS).

Andreas Berger, CEO von Corporate Solutions bei Swiss Re, stimmte dem zu. „Natürlich muss man zweistellige Preiserhöhungen erklären, und sie können auch erklärt werden“, sagte er.

Feuer, Haftpflicht und D&O, eigentlich alle Finanzsparten, sind derzeit besonders betroffen. Es steigen nicht nur die Prämien, sondern die Versicherer stellen in einigen Bereichen auch deutlich weniger Kapazität zur Verfügung. „Wir mussten Anpassungen vornehmen, sowohl beim Preis als auch bei der Deckung“, sagte Haagen.

Andreas Berger erklärte, dass die Prämien aufgrund des starken Wettbewerbs unter den Versicherern auf ein sehr niedriges und nicht mehr haltbares Niveau gesunken waren, bevor sich der Markt vor zwei Jahren zu drehen begann.

Berger sagte, die Abschwächung sei ein langfristiger Trend gewesen, der durch die Terroranschläge auf die USA am 11. September 2001 ausgelöst worden sei. Nach diesem Ereignis stiegen die Prämien weltweit stark an. Doch einige Jahre später folgte ein Wendepunkt.

„Danach wollten die Versicherer wachsen und hielten sich nicht mehr an angemessene Underwriting-Standards“, sagte er. Infolgedessen weitete sich die Schere zwischen tatsächlichen und erwarteten Verlusten erheblich.

Deutsche Risikomanager und Makler räumen sehr wohl ein, dass die niedrigen Preise nicht mehr tragbar waren. Makler und Kunden warnten die Versicherer in dieser Podiumsdiskussion und in früheren Konferenzsitzungen jedoch davor, dass das Ausmaß der derzeitigen Erhöhungen übertrieben ist, und forderten zudem eine bessere Kommunikation.

„Die Prämien steigen jetzt schon das zweite oder dritte Jahr in Folge“, sagte Alexandra Ganz-Cosby, Vorstandsvorsitzende des Maklers Artus AG.

Jochen Körner, Geschäftsführer des Maklers Ecclesia Holding, forderte Verhältnismäßigkeit ein. „Für einen mittelständischen Werkzeugbauer irgendwo im Osten Nordrhein-Westfalens werden die Prämien das dritte Jahr in Folge um jeweils 20% erhöht“, erklärte er. „Das versteht keiner mehr“, fügte er hinzu.

Alexander Mahnke, Vorstandsvorsitzender des GVNW, stimmte dem zu. „Zweistellige Prozentsätze müssen erklärt werden“, sagte er und forderte die Versicherer erneut auf, ihre Hausaufgaben zu machen und sich mit ihrer Kostenbasis auseinanderzusetzen, anstatt einfach zu versuchen, ihr Rentabilitätsproblem auf die Kunden abzuwälzen.

Die Versicherer wurden auch wegen ihres Umgangs mit Betriebsschließungsversicherungen kritisiert – nicht ganz dasselbe wie Betriebsunterbrechungsdeckungen.

Betriebsschließungsversicherungen wurden in Deutschland an Kneipen, Restaurants, Gesundheitseinrichtungen und Hotels verkauft. Sie deckten eine mögliche Schließung aufgrund von Virusinfektionen ab.

Mit Ausnahme von HDI, Signal Iduna und einigen kleineren Unternehmen sind die meisten deutschen Versicherer der Ansicht, dass die aktuelle Pandemie diese Policen nicht auslöst. Sie argumentieren, dass die Versicherungen für eine Betriebsschließung konzipiert wurden, die durch die Erkrankung eines oder mehrerer Mitarbeiter an einem Virus verursacht wurde.

Die pauschale Schließung während des Lockdowns sei nicht gedeckt, sagten die meisten Versicherer. Einige Versicherer argumentierten auch, dass die Formulierungen in den Policen festlegen, welche Krankheiten versichert sind, und dass Covid-19 nicht darunter sei.

„Die Versicherungsbranche hat hier eine große Chance verpasst. Sie hätte ihren Ruf immens verbessern können“, sagte Jochen Körner von Ecclesia. Er lobte den Versicherer HDI für seine abweichende Auffassung in dieser Angelegenheit.

Die Weigerung der meisten Versicherer, diese Policen auszuzahlen, stelle den Wert der Industrieversicherung für bestimmte Unternehmen in Frage, sagte GVNW-Präsident Mahnke.

Ein Beispiel dafür, wie ein flexiblerer Ansatz der Versicherer funktionieren könnte, kam aus Bayern. Obwohl das Konzept grundsätzlich gut war, hat es am Ende nicht funktioniert, weil die Regierung versäumt hat, es umzusetzen.

Das bayerische Wirtschaftsministerium und die Hotel- und Restaurantbesitzer einigten sich mitten im Lockdown mit den Versicherern auf einen Kompromiss.

Die Vereinbarung basierte auf der Annahme, dass Kurzarbeitsregelungen und andere staatliche Hilfen 70% der Verluste für Restaurants und Hotels kompensieren würden. Auf dieser Grundlage sollten die Versicherer und ihre Kunden die verbleibenden 30% aufteilen, womit die Versicherungsträger, die das Abkommen unterzeichnet hatten, etwa 15% der Kosten übernehmen würden.

Für die meisten Unternehmen des Gastgewerbes blieb die 70-prozentige staatliche Unterstützung jedoch aus. Deshalb stehen viele Unternehmen wegen der Schließungen und weil die Versicherer ihre Kernpolicen nicht bezahlt haben, kurz vor dem Bankrott.

„Ein Angebot von 15% ist aus meiner Sicht lächerlich“, sagte Alexandra Ganz-Cosby. Als Teil der Vereinbarung mussten die Unternehmen auch alle Rechtsansprüche gegen Versicherer und Makler aufgeben, wenn sie das Angebot annahmen. Auch dies sei nicht akzeptabel, fügte sie hinzu.

Haagen betonte, dass die Allianz insgesamt EUR 1 Mrd. an Covid-19-bezogenen Schäden erwartet, von denen etwa EUR 500 Mio. auf AGCS entfallen. „Wir zahlen auch, wenn es gedeckt ist“, sagte er. Rund EUR 400 Mio. des Gesamtbetrags entfallen auf die Absage von Veranstaltungen und die Stornierung von Filmproduktionen.

Bei der Podiumsdiskussion zum Thema Betriebsschließungsversicherung herrschte definitiv keine Einigkeit. Am Ende werden die Gerichte entscheiden müssen.

Positiv war jedoch, dass die Diskussionsteilnehmer mehr oder weniger darin übereinstimmten, dass die aktuelle Pandemie und die vorübergehende Verlagerung vieler Arbeitsplätze in das Home Office einen Schub für die Digitalisierungsrevolution in der Versicherungsbranche auslöste.

Etwa 90% der AGCS-Mitarbeiter arbeiteten während des Lockdowns von zu Hause aus. Die bisherigen Erfahrungen des Versicherers, so Haagen, seien positiv. „Das hat uns problemlos fünf Jahre weitergebracht, wenn nicht sogar noch mehr. Jetzt brauchen wir den Mut, mit großen Schritten voranzugehen“, sagte er.

Alexandra Ganz-Cosby sprach ebenfalls von einem enormen Schub für die in der Branche erforderlichen digitalen Veränderungen.

Als positives Beispiel nannte Alexander Mahnke Risikoinspektionen, die in vielen Fällen auf virtueller Basis mit Hilfe von 3D-Kameras durchgeführt wurden. „Vor zwei Jahren hätten intelligente Menschen allen Beteiligten erklärt, warum dies nicht möglich ist“, betonte er.

Martin Gary, Geschäftsführer von Albatros Insurance Services, dem hauseigenen Makler der Lufthansa, äußerte einen Vorbehalt: Viele Unternehmen sehen sich heute einem enormen Kostendruck ausgesetzt, der im Widerspruch zu höheren Investitionen in die Digitalisierung steht.

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