Deutsche Versicherungsmanager müssen bei der Steuerreform geschickt taktieren

Es sieht derzeit nicht danach aus, dass sich die deutschen Steuerbehörden dem Druck der Interessenvertretungen der gesamten deutschen Versicherungswirtschaft beugen werden, um die kürzlich verabschiedete, umstrittene Reform des Versicherungssteuergesetzes (VersStG) dahingehend zu ändern bzw. so zu präzisieren, dass deutsche Unternehmen mit versichertem Auslandsgeschäft nicht zweimal Steuern zahlen müssen – im Inland und im Ausland.

Der Gesamtverband der Versicherungsnehmenden Wirtschaft – GVNW – hat gemeinsam mit allen führenden Akteuren, darunter auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft – GDV – darauf hingewiesen, dass die neue Reform bei strikter Anwendung, wie sie Ende letzten Jahres verabschiedet wurde, zu einer Doppelbesteuerung führen könnte.

Steuerfachleute sind sich einig, dass, wenn die Versicherer die neuen Vorschriften strikt auslegen, die Versicherungsmanager die Prämien, die auf Betriebsstätten – also möglicherweise Niederlassungen und Tochtergesellschaften – in Drittländern entfallen, in Deutschland und möglicherweise auch vor Ort versteuern müssen.

Die Unsicherheit darüber, wie die Vorschriften in der Praxis angewandt werden, ist derzeit groß, da sich die Steuerbehörden bislang kaum eindeutig dazu geäußert haben.

Der GVNW hat sich selbstverständlich bei den führenden internationalen Versicherern informiert, wie sie mit diesem Thema umgehen werden, in der klaren Hoffnung, dass sie einen pragmatischen Ansatz für die neuen Vorschriften wählen werden, wie es in der Vergangenheit auch der Fall war.

Es wird vermutet, dass der GDV einen Fragenkatalog an seine Mitglieder geschickt hat, um zu erfahren, wie sie die Gesetzesänderung auslegen werden, aber Einzelheiten hierzu sind zur Zeit noch nicht bekannt.

Verschiedene Fachleute sind der Auffassung, dass die Vorschriften im Laufe der Zeit angepasst werden könnten, um das Problem der Doppelbesteuerung zu verhindern, weshalb es der GVNW den Druck auf den Gesetzgeber aufrechterhalten sollte.

Insider befürchten jedoch, dass die Versicherer jetzt, da die Sache an die Öffentlichkeit gelangt ist, keine andere Wahl haben werden, als die neuen Vorschriften strikt anzuwenden, um nicht mit den Compliance-Vorschriften in Konflikt zu geraten.

Um in einer derart unklaren Situation die Vorschriften zu 100 % zu erfüllen, müssten die Versicherer versuchen, alle ausländischen Betriebsstätten lokal zu versichern. Quellen im deutschen Markt berichten jedoch, dass selbst die größten internationalen Versicherer nicht überall auf der Welt Niederlassungen haben und ausreichende lokale Kapazitäten hierfür einfach nicht vorhanden sind.

„Manchmal ist es vielleicht am besten, wenn Steine nicht umgedreht werden“, erklärte eine Führungskraft einer deutschen Versicherung inoffiziell gegenüber Commercial Risk.

Der GVNW hat zum ersten Mal im November auf diese Veränderung des Steuerrechts aufmerksam gemacht, als er seine Mitglieder vor einer möglichen Doppelbesteuerung warnte.

Der GVNW hat sich gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) im April letzten Jahres schriftlich an das Bundesfinanzministerium (BMF) gewandt und die Neuregelung des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VersStG kritisch bewertet.

„Dieser regelt, dass zukünftig für die Versicherung von Betriebsstätten deutscher Unternehmen, welche außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums (EWR) liegen (z.B. USA), deutsche Versicherungssteuer entrichtet werden muss. Dies gilt nur, wenn diese Betriebsstätten über eine deutsche (oder europäische) Versicherungspolice mitversichert sind. Allerdings gilt diese Steuerpflicht unabhängig davon, ob für allokierte Prämienanteile bereits in dem Drittland Versicherungssteuer entrichtet wird“, erklärte der GVNW in einem weiterführenden Informationsschreiben an alle Mitgliedsunternehmen vom November 2020.

„Aus Sicht des GVNW und des BDI kann durch diese Neuregelung die Gefahr einer Doppelbesteuerung entstehen. Hierauf wurde auch bei einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Bundestages hingewiesen“, so der Verband weiter.

Der GVNW erklärte, dass sich das Gesetz seinem Wortlaut nach auf „Betriebsstätten“ bezieht. Gesetzlich definiert ist die „Betriebsstätte“ gemäß § 12 Abgabenordnung als feste Geschäftseinrichtung, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient.

Eine „Betriebsstätte“ kann allgemein als ein unselbstständiger Teil eines Unternehmens verstanden werden, der dadurch gekennzeichnet ist, dass er sich als feste Geschäftseinrichtung oder Anlage darstellt, von der aus mit einer gewissen Kontinuität eine unternehmerische Tätigkeit ausgeübt wird.

Wie der GVNW weiter ausführt, gelten als Betriebsstätte aber auch Bauausführungen und Montagen, wenn diese länger als 6 Monate betrieben werden.

Der GVNW empfiehlt, dass die Mitgliedsunternehmen auf ihre Makler und Versicherer zugehen und mit diesen prüfen, ob ihr Unternehmen für bisher mitversicherte Betriebsstätten außerhalb des EWR zukünftig mit deutscher Versicherungssteuer belastet wird.

„Eventuell müsste die Versicherung dieser Betriebsstätten oder deren Belastungen mit Versicherungsprämien angepasst werden. Zusätzlich empfehlen wir, mit Ihren internen und externen Steuerexperten über das neue Gesetz und seine steuerrechtlichen und tatsächlichen Auswirkungen auf Ihr Unternehmen zu sprechen“, unterstreicht der GVNW.

Der führende unabhängige deutsche Makler, die Funk Gruppe mit Sitz in Hamburg, rät deutschen Versicherungsmanagern, so schnell wie möglich mit ihrem Makler über ihre Optionen zu sprechen.

Nadine Benkel, Assistentin der Geschäftsführung bei Funk, sagte diese Woche gegenüber Commercial Risk, dass das Problem sehr real ist und von GVNW-Mitgliedern und den deutschen Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig sind und ihre Risiken effizient abdecken wollen, nicht ignoriert werden sollte.

„Je nach Rechtslage im Drittland müssen unsere Kunden bei DIC/DIL-Rahmenverträgen (Difference-in-Conditions/Difference-in-Limits-Versicherung) zusätzlich zu den dort anfallenden Steuern in Deutschland 19 % Versicherungssteuer zahlen“, erklärte sie.

„Wenn ein deutscher Versicherungsnehmer von Deutschland aus eine Tochtergesellschaft in einem Drittstaat versichert hat … ist die Antwort auf die Frage, ob Tochtergesellschaften als Betriebsstätten im Sinne der Reform des Versicherungssteuerrechts zu qualifizieren sind, rechtlich umstritten. Dennoch herrscht in der Praxis – bedingt durch die europäische und deutsche Rechtsprechung – derzeit eine weit gefasste Auslegung vor, nach der Tochtergesellschaften als Betriebsstätten zu qualifizieren sind“, so Nadine Benkel weiter.

Diese weit gefasste Auslegung könnte den Marktteilnehmern einen gewissen Spielraum geben und im Laufe der Zeit dazu führen, dass das Problem der Doppelbesteuerung letztlich gelöst wird, vermutete Benkel. Im Moment gehen die Versicherer auf Nummer Sicher, aber das könnte sich mit der Zeit ändern, meinte sie.

„Um steuerliche Compliance-Risiken zu vermeiden, haben sich die Versicherer nach derzeitiger Marktbeobachtung ebenfalls für diese weit gefasste Auslegung entschieden und erheben daher auch die deutsche Versicherungssteuer. Allerdings ist die Frage der Definition von Betriebsstätten rechtlich noch nicht endgültig geklärt. Deshalb kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Interpretation im Laufe der Zeit durch Testfälle ändert. Wenn Unternehmen sich nicht an die rechtliche Auslegung halten und die Versicherungssteuer nicht zahlen wollen, könnte eine so genannte Freistellungserklärung Abhilfe schaffen, mit der die Unternehmen die Versicherer von Zahlungen an den in- oder ausländischen Steuerbehörden freistellen“, fügte sie noch hinzu.

Nadine Benkel sagte, dass deutsche Versicherungsmanager als erstes ihren Versicherungsmakler oder Versicherer kontaktieren sollten, um die bestehenden Verträge individuell zu prüfen.

Insgesamt bedeute dies jedoch nicht zwangsläufig, dass globale Programme für deutsche Unternehmen angesichts der aktuellen Unsicherheiten nicht mehr attraktiv seien.

„Globale Programme sind nach wie vor sinnvoll und sehr wichtig für deutsche Unternehmen, vor allem zur Absicherung von Versicherungsrisiken im Ausland“, sagte sie.

Zwar gibt es derzeit keine Anzeichen dafür, dass das BMF gewillt ist, bei dieser wichtigen steuerlichen Veränderung Flexibilität zu zeigen, doch glaubt Nadine Benkel, dass sich dies im Laufe der Zeit ändern könnte.

„Versicherer und Vertreter der deutschen Wirtschaft haben das Gesetz kritisiert. Meiner Meinung nach wird es in den nächsten Jahren einige Änderungen geben, denn es gibt viele unbeantwortete Fragen“, sagte sie gegenüber Commercial Risk.

Praveen Sharma, globaler Leiter der Insurance Regulatory & Tax Consulting Practice bei Marsh, sagte, dass die Verwirrung über die Interpretation dieser Steuerreform den deutschen Kunden und Versicherern echtes Kopfzerbrechen bereitet und unterstrich die Notwendigkeit für mehr Klarheit seitens der deutschen Steuerbehörden.

„Die deutschen Steuerbehörden haben noch nicht abschließend geklärt, wie die deutschen Vorschriften zur Prämienbesteuerung anzuwenden sind, wenn eine deutsche Master- und Exzedentenpolice Risiken (wie D&O oder Haftpflicht) von Konzerntöchtern deckt, die in Nicht-EU-Ländern wie dem Vereinigten Königreich auf nicht zugelassener Basis ansässig sind. Leider sorgt die Art und Weise, wie das deutsche Steuerrecht und die darauf aufbauenden Richtlinien formuliert sind, für Verwirrung in der Versicherungsbranche und für einen uneinheitlichen Ansatz bei den globalen Versicherungsunternehmen“, erklärte er gegenüber Commercial Risk.

Praveen Sharma erläuterte anhand eines Beispiels, wie ein deutsches Unternehmen in der aktuellen Situation einer Doppelbesteuerung ausgesetzt sein könnte.

„Diese neuen Vorschriften werden zu einer Doppelbesteuerung für viele multinationale Unternehmen führen, die in Nicht-EU/EWR-Ländern tätig sind und bei denen ein EU/EWR-Versicherer diese Tätigkeiten unter den deutschen Master- und/oder Excess-Layer-Policen abdeckt, die der deutsche Versicherungsnehmer abgeschlossen hat. Abhängig von der Risikoklasse, der Struktur des Versicherungsprogramms und dem Ort des Risikos kann es sein, dass das multinationale Unternehmen auch im Nicht-EU/EWR-Land eine Prämiensteuer auf die gleiche zugewiesene Prämie zahlen muss“, erklärte er.

„Ein deutscher Versicherungsnehmer hat beispielsweise eine Tochtergesellschaft und/oder Niederlassung im Vereinigten Königreich und schließt eine Produkthaftpflicht-Master/Excess-Layer-Police mit einem EU/EWR-Versicherer ab, die die Haftung der Tochtergesellschaft/Niederlassung im Vereinigten Königreich abdeckt (nach dem Brexit ist das Vereinigte Königreich nicht in der EU/im EWR). Folglich wird die deutsche Prämiensteuer von 19 % auf die zugeordnete Prämie fällig. Bedauerlicherweise unterliegt die gleiche zugeordnete Prämie (unabhängig davon, ob sie intern weiterverrechnet wird oder nicht) aufgrund der britischen Prämiensteuergesetzgebung auch der britischen Prämiensteuer von 12 %. Zwar liegt die Verpflichtung, die deutsche und britische Prämiensteuer an die Steuerbehörden abzuführen, beim EU/EWR-Versicherer, aber in sämtlichen Fällen werden die Versicherer die tatsächliche Prämiensteuerbelastung wohl an den deutschen Versicherungsnehmer weiterreichen“, führte Praveen Sharma weiter aus.

Der Versicherungssteuerexperte rät deutschen multinationalen Unternehmen, ihre globalen Versicherungsverträge und ihre Methodik der Prämienzuordnung im Hinblick auf die steuerlichen Änderungen zu überprüfen.

„Sie sollten mit Unterstützung ihrer Makler und der eingebundenen globalen Versicherungsunternehmen ihre Gesamtrisikokosten, einschließlich Steuern, für die verschiedenen möglichen Optionen prüfen. Dabei ist zu beachten, dass eine Lokalisierung aller Ebenen des globalen Programms nicht möglich und zudem unwirtschaftlich sein wird“, sagte er.

Um die drohende Doppelbesteuerung zu vermeiden, rät Praveen Sharma zu einem einheitlichen Vorgehen der Unternehmen.

„Sehr viel hängt von der Motivation der Behörden ab. Es wird sich kaum etwas bewegen, bis sich die deutschen multinationalen Unternehmen und die globalen Versicherer zusammenschließen und eine formale Entscheidung der deutschen Gerichte erwirken“, sagte er und deutete damit an, dass es keine schnellen Lösungen für dieses ernsthafte Problem für die deutschen Versicherungsmanager geben wird.

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