Dringende Suche nach Lösungen für die Verwerfungen im deutschen D&O-Markt

Makler und Versicherungsmanager müssen sorgfältig analysieren, welche D&O-Deckung tatsächlich erforderlich ist. Deshalb sollten sie bei künftigen Erneuerungen eine Reihe von Optionen prüfen, um in dem derzeit extrem schwierigen Markt zurechtzukommen, rieten Experten auf der letzte Woche abgehaltenen GVNW-Fachtagung zu Cyber- und Financial Lines.

Die Mitglieder des GVNW zeigten sich schockiert über den plötzlichen Abbau von Kapazitäten und Prämienerhöhungen von teilweise mehr als 900 % für D&O-Deckungen bei den letzten Erneuerungen, durch die führende Versicherer versuchten, ihre Bücher zu bereinigen.

Deutsche Versicherungsmanager haben den Versicherern ein brutales Vorgehen vorgeworfen, das individuelle Schadensverläufe nicht berücksichtigt und langfristige Beziehungen beschädigt hat, weil sie nach der langen Marktschwäche nur noch darauf aus waren, ihre Rentabilität zu steigern.

Alexander Mahnke, Vorstandsvorsitzender des GVNW, sagte während der Fachtagung in der vergangenen Woche: „Der Markt ist hart und es sieht alles sehr düster aus.“

Es spricht derzeit wenig dafür, dass sich der Markt in diesem Jahr von selbst entspannen wird. Daher müssen Versicherungsmanager von großen und kleinen Unternehmen proaktiv und konstruktiv mit ihren Maklern und Versicherern zusammenarbeiten, um praktische und innovative Lösungen für den anhaltend schwierigen Markt zu finden, so die Experten, die sich zur Hauptdiskussion am zweiten Tag der Veranstaltung versammelt hatten.

Die jährliche Cyber- und Financial Lines-Fachtagung des GVNW fand in diesem Jahr aufgrund von Covid-19 virtuell statt und wurde von über 200 Personen online besucht.

Die Hauptpodiumsdiskussion über die neuesten Entwicklungen im D&O-Markt wurde von Alexander Mahnke moderiert. An der Diskussion nahmen Sandra Dammalacks vom Makler deas Deutsche Assekuranzmakler, Dr. Thomas Gädtke von der Kanzlei DLA Piper, Prof. Dr. Robert Koch, Universität Hamburg, und Sebastian Vogel, Leiter Liability und Financial Lines bei Airbus, teil.

Die Podiumsteilnehmer stimmten darin überein, dass die Versicherungsnehmer von den Prämienerhöhungen von 900 % und mehr in einigen Fällen schockiert waren, zumal die neuen Policen auch mit erheblichen Einschränkungen des Versicherungsschutzes einhergingen. Viele Marktteilnehmer betrachteten dies nicht nur als eine extreme Marktverhärtung, sondern darüber hinaus als eine Entwicklung, die die Zukunftsfähigkeit des Marktes in Frage stellt.

Die Podiumsteilnehmer unterstrichen auch, dass die massiven Prämienerhöhungen in keinem Verhältnis zum Schadenverlauf stünden, insbesondere im Hinblick auf die Deckung der Schadenexzedenten.

Teilweise haben Unternehmen die Gespräche einfach abgebrochen, weil sie die hohen Versicherungsprämien nicht akzeptieren wollten, wohl auch im Interesse der Versicherer, die sich anscheinend von D&O-Risiken trennen wollten.

Lässt dies auf eine grundsätzliche Schieflage zwischen Angebot und Nachfrage auf dem D&O-Markt schließen?

Sebastian Vogel sagte: „Wir sind in einer extremen Ungleichgewicht, teilweise eine Massakrierung an Kunden.“

Die entscheidende Frage für die Zukunft ist, wie der Markt diese Herausforderung bewältigen und die Situation verbessern kann.

Der sprunghafte Anstieg der Prämien für Schadenexzedenten ist darauf zurückzuführen, dass die Erstversicherer ihre Risiken deutlich verringern und somit mehr Risiken auf die höherrangigen Risikoklassen übertragen. Die Frage ist, wie erschwinglich sind D&O-Risiken angesichts dieser neuen Marktrealität jetzt und in Zukunft?

Sandra Dammalacks unterstrich die Bedeutung von Transparenz unter den Marktteilnehmern. Die Makler müssen frühzeitig das Gespräch mit den Kunden suchen und sie vor dem Erneuerungsprozess auf die Problematik hinweisen.

Dies gibt den Kunden die Möglichkeit, die Sachlage zu prüfen und wichtige Entscheidungen zu treffen, z. B. auf bestimmte Deckungsarten zu verzichten. Sie können außerdem ihre Risiken im Detail aufschlüsseln und so einen besseren Überblick über ihren tatsächlich benötigten Versicherungsschutz gewinnen, betonte sie.

„Es ist ganz wichtig, Transparenz zu schaffen und offen zu kommunizieren“, sagte Sandra Dammalacks.

Wenn die Gespräche gut und frühzeitig begonnen werden, können die Versicherer ihre Formulierungen möglicherweise so anpassen, dass beide Vertragsparteien davon profitieren. Hoffentlich ist das Ergebnis eine verschlankte und maßgeschneiderte Deckung zu einem akzeptablen Preis.

„Über die Jahre sind einige Bausteine als Teil der Prämie hinzugekommen. Wir müssten anfangen, Bausteine mit Preisen zu belegen“, sagte Sandra Dammalacks.

Unternehmen können auch einen größeren Teil des Risikos oder sogar das gesamte Risiko selbst tragen. Alexander Mahnke verwies auf Tesla als Beispiel. Wegen überhöhter Prämienforderungen hatte Elon Musk USD 100 Mio. aus seinem eigenen Vermögen zur Deckung der D&O-Risiken bei Tesla bereitgestellt und dafür eine niedrigere als am Markt verlangte Prämie erhalten. Dies gilt jedoch eher als ein Sonderfall, nicht zuletzt wegen des Potenzials für Interessenkonflikte.

Captives bieten ebenfalls die Möglichkeit, Risiken zu übertragen und niedrigere Prämien bei einem besseren Versicherungsschutz zu erreichen.

Sebastian Vogel wies jedoch darauf hin, dass Captives für das D&O-Geschäft aus rechtlicher Sicht vergleichsweise kompliziert sind. Sandra Dammalacks bekräftigte dies und wies darauf hin, dass bei Ansprüchen gegen einen Mitarbeiter eines Unternehmens, in das ein Captive involviert ist, beide Seiten durch das Unternehmen finanziert werden. Das könnte einen Interessenkonflikt mit sich bringen. Diese Aspekte werden in Zukunft noch detaillierter beleuchtet werden müssen, da Captives als alternative Risikotransfervehikel zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Der Schlüssel für die Verringerung des wachsenden Marktungleichgewichts scheint in einer künftig besseren Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Versicherern, Maklern und Kunden zu liegen.

Die Versicherer sollten sich stärker darauf konzentrieren, den Versicherungsschutz in maßgeschneiderte Angebote (Bausteine) zu unterteilen, die für spezifische Risiken entwickelt wurden. Gleichzeitig sollten Versicherungsnehmer eine detaillierte Überprüfung ihres Risikos vornehmen und kritischer hinterfragen, für welchen Risikoschutz sie wirklich zahlen wollen, waren sich die Diskussionsteilnehmer einig.

Es muss Klarheit darüber herrschen, welche juristische Beratung zu welchem Stundensatz im Falle einer Klage zur Verfügung steht. Versicherungsmanager können beispielsweise hinterfragen, ob eine Versicherung gegen Strafverfolgung wirklich notwendig oder eher ein „nice-to-have“ ist und welche Deckungsarten am wichtigsten sind, waren sich die Diskussionsteilnehmer einig.

Das gegenwärtige Marktungleichgewicht hinterlässt im gesamten Unternehmenssektor seine Spuren. KMUs sind jedoch besonders betroffen, da sie ihren Versicherungsschutz zu stark einschränken könnten und somit im Falle eines Rechtsstreits unterversichert wären.

Sandra Dammalacks sagte: „Mit einer Jahresprämie von EUR 4.500 für eine Versicherungsdeckungssumme von EUR 7.000.000, da komme ich nicht mehr weit“.

In dieser Hinsicht unterscheidet sich der D&O-Markt trotz seiner derzeitigen Volatilität nicht so sehr vom übrigen Versicherungsmarkt, nur dass die Marktsituation noch extremer ist. Die Versicherer müssen flexibler und innovativer in der Produktgestaltung werden, während die Kunden angesichts eines anhaltend schwierigen Marktes ihr Risikokonzept verfeinern müssen, stimmten die Diskussionsteilnehmer überein.

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