Kommentar: Höchste Zeit zum Handeln bei staatlich gestützten Absicherungssystemen

Der Gesamtverband der versicherungsnehmenden Wirtschaft (GVNW) hat zu Recht seine Frustration darüber zum Ausdruck gebracht, dass auf staatlicher und europäischer Ebene keine Fortschritte in Hinblick auf eine besser koordinierte Antwort auf künftige systemische Risiken und eine öffentlich-private Partnerschaft (PPP) zur Unterstützung von Wirtschaft und Gesellschaft bei der Bewältigung der nächsten Gesundheitskrise erzielt wurden.

Der GVNW hat bereits im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDV) ein Arbeitspapier vorgelegt, das deutlich darauf hinweist, dass es dem gewerblichen Versicherungsmarkt nicht zugemutet werden kann, derartige systemische Risiken über die herkömmliche Betriebsunterbrechungsversicherung abzudecken.

GVNW und BDV boten an, konstruktiv mit den Versicherern sowie Landes- und Bundesbehörden zusammenzuarbeiten, um eine tragfähige Lösung für die nächste Krise zu finden.

Diese würde wahrscheinlich auf dem bestehenden Rahmen des Extremus-Terrorversicherungspools aufbauen, die Schadenmanagement-Ressourcen der Versicherungsindustrie nutzen und, ganz wichtig, gleichzeitig ein proaktives Risikomanagement und Maßnahmen zur Risikominderung bei den versicherten Unternehmen, ob groß oder klein, fördern.

Wie auch in Frankreich vom dortigen Verband für Risiko- und Versicherungsmanagement AMRAE vorgeschlagen, könnten zusätzlich Steuern und andere Fördermaßnahmen für die Nutzung von Captives und anderen Selbstversicherungsinstrumenten einbezogen werden.

Der GVNW, AMRAE, AIRMIC in Großbritannien und ANRA in Italien sahen jetzt die Gelegenheit gekommen, um ein schwerwiegendes Problem anzugehen, das schon lange im Raum stand: Wie man das enorme und schnell wachsende Ausmaß an nicht versicherten Betriebsunterbrechungen ohne Schadensfolge (Non Damage Business Interruption, NDBI) und Risiken in der Lieferkette angehen kann, denen sich Unternehmen aller Art und Größe in der modernen globalen Wirtschaft gegenübersehen.

Fast genau vor einem Jahr, zum Höhepunkt des ersten Lockdowns, schrieb ich täglich über die Forderung PPPs zu schaffen, um zukünftige Gesundheitskrisen und ähnliche systemische Risiken in ganz Europa und Nordamerika bewältigen zu können, und es sah wirklich so aus, als würde es diesbezüglich Fortschritte geben. Der gemeinsame Wille schien vorhanden zu sein.

Aber irgendetwas ist wohl auf politischer Ebene ernsthaft schief gelaufen, und der Prozess ist in ganz Europa und weltweit zum Stillstand gekommen. Rasche Fortschritte wurden bei den Kreditversicherungsmodellen erzielt, aber die gesamte Frage der Betriebsunterbrechungsabdeckung wurde vernachlässigt, möglicherweise auch wegen der zahlreichen Klagen insbesondere in den USA, im Vereinigten Königreich und Frankreich.

Die Debatte wurde durch ein im Februar von der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) herausgegebenes Papier neu entfacht, das dazu aufforderte, bis Ende März Kommentare zur Versicherbarkeit von Pandemierisiken abzugeben.

Für den GVNW und andere Branchenvertreter sah es so aus, als ob das vergangene Jahr für die wichtigen Entscheidungsträger einfach nicht stattgefunden hätte.

Darüber hinaus war es reichlich merkwürdig, dass sich das EIOPA-Papier sehr stark auf die Risikoprävention konzentrierte. Das ist schön und gut, übersieht aber den wesentlichen Punkt – der vom GVNW subtil hervorgehoben wurde -, dass die Verantwortung für die Prävention einer Pandemie (und damit auch die Haftung) nicht wirklich auf Unternehmen und ihre Risikomanagement-Teams abgewälzt werden kann. Die Verantwortung ist viel größer als das.

Kein Wunder also, dass der Gesamtverband sein gemeinsam mit dem BDV veröffentlichtes Arbeitspapier praktisch neu auflegte und betonte, dass er genauso gesprächs- und handlungsbereit sei wie vor 12 Monaten!

„Wir heißen die Aufforderung der EIOPA an die Unternehmen, das notwendige Risikomanagement zum Schutz vor Pandemien zu etablieren, ausdrücklich willkommen“, erklärte der GVNW Mitte April.

„Allerdings können solche Maßnahmen weder zukünftige Pandemien verhindern noch staatliche Eingriffe wie Betriebsschließungen ausschließen. Wir halten es daher für dringend ratsam, mögliche Maßnahmen des Risikomanagements auf EU- und nationaler Ebene gemeinsam mit Vertretern der Wirtschaft ergebnisorientiert zu diskutieren“, heißt es in der Erklärung weiter.

„Der Staat und insbesondere alle seine Institutionen sollten eine wirksame Notfallplanung für Pandemien entwickeln. Im Moment können wir jedoch nicht erkennen, dass auf staatlicher Ebene Diskussionen zur Pandemievorsorge geführt oder entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Insofern sehen der BDVM und der GVNW diesen Gesprächen nach wie vor erwartungsvoll entgegen“, so das möglichst freundlich gehaltene Fazit der beiden Verbände.

Es bleibt zu hoffen, dass sich jemand in der deutschen Regierung von den Vorbereitungen für die kommenden Bundestagswahlen losreißen kann und diese wichtige Initiative endlich auf den Weg bringt.

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