Kritik am europäischen Hochwasserschutzsystem nach der deutschen Flutkatastrophe

In dieser Woche werden in Deutschland die Kosten für die heftigen Überschwemmungen der letzten Woche, die in Westeuropa verheerende Schäden angerichtet haben, zusammengerechnet werden. Deutschland hat von allen betroffenen Ländern die höchsten Schadensfälle zu verzeichnen, wobei in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland die Zerstörungen besonders groß sind.

Obwohl die Schäden verheerend sind, betonte RMS, das in den USA ansässige Unternehmen für die Modellierung von Katastrophenrisiken: „Nach früheren Überschwemmungen wurden in ganz Europa Maßnahmen zur Schadensbegrenzung ergriffen, deren Wirksamkeit das Ausmaß der letztlichen Schäden durch die aktuelle Hochwasserkatastrophe maßgeblich beeinflussen wird. Die bisher verzeichneten Überschwemmungen hätten ohne diese Maßnahmen ein viel größeres Gebiet betroffen und viel mehr Schaden angerichtet, als wir das bisher erleben mussten.“

Gleichzeitig muss das Funktionieren des European Flood Awareness System (EFAS) kritisch hinterfragt werden, das Hochwasserwarnungen ausgibt, damit die zuständigen Behörden die notwendigen Vorbereitungen treffen können.

Die Hydrologin Professor Hannah Cloke, die an der Entwicklung des EFAS beteiligt war, erklärte, dass die Behörden in Europa bereits am Wochenende, also einige Tage vor dem Auftreten der Überschwemmungen, Warnungen erhalten hatten.

Trotzdem stellte Professor Cloke fest: „[Es gab] Orte, an denen diese Warnungen nicht zu den Menschen durchkamen und sie deshalb nicht wussten, was auf sie zukommen würde.“ Mit anderen Worten: Es gab Unterbrechungen in der Kommunikationskette.

Daher wird dieses System wohl in Zukunft überarbeitet werden, um den Ablauf von der Erkennung einer möglichen Naturkatastrophe bis zur Ausarbeitung von präventiven Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu verbessern.

Dies wäre vor allem dann wichtig, wenn, wie viele Beobachter annehmen, solche Ereignisse aufgrund des Klimawandels in Zukunft immer häufiger auftreten werden.

Carlo Buontempo, Leiter des Copernicus Climate Change Service am European Centre for Medium-Range Weather Forecasts, sagte: „Im Zuge des Klimawandels rechnen wir damit, dass alle hydrometeorologischen Extremereignisse noch extremer werden. Was wir in Deutschland gesehen haben, stimmt im Großen und Ganzen mit diesem Trend überein.“

Dazu stellt sich noch die drängende Frage, wer für die enormen Schäden aufkommen soll. Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz sagte, dass bei einer Kabinettssitzung am Mittwoch ein Maßnahmenpaket in Höhe von 300 Millionen Euro als Soforthilfe vorgeschlagen werden soll.

Was die versicherten Schäden angeht, so erklärte der Versicherungsmakler Aon, dass die Überschwemmungen voraussichtlich einen weiteren Milliardenverlust für die Versicherungsbranche verursachen werden. Dies schließt sich an die Hagelstürme und schweren Regenfälle im Juni an, die laut Aon Versicherungszahlungen in Höhe von 4,5 Milliarden Dollar nach sich ziehen und damit die verlustreichsten zwei Wochen für die Versicherungswirtschaft in Europa sein werden.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) schließt sich dieser Einschätzung weitgehend an. In einem Tweet des GDV vom 15. Juli heißt es, dass sich dieses Jahr mit Stürmen, Überschwemmungen, Starkregen und Hagel zum schlimmsten und schadenträchtigsten seit 2013 entwickeln könnte. Bereits im Juni haben Starkregen und Hagel versicherte Schäden in Höhe von 1,7 Milliarden Euro im deutschen Markt verursacht.

Auch wenn das extreme Sommerwetter dieses Jahres völlig überraschend kam, weiß die Versicherungswirtschaft schon seit geraumer Zeit um die sich verändernden Wettermuster und das damit verbundene Naturkatastrophenpotenzial. Es gibt also eine Fülle von Informationen, auf die Versicherer bei der Erarbeitung einer angemessenen Strategie zurückgreifen können.

In der Zwischenzeit sind die Überschwemmungen hoffentlich abgeklungen. Allerdings mahnt RMS zur Vorsicht: „Wir rechnen damit, dass das Hochwasser in den kommenden Tagen weiter ansteigt, möglicherweise auch in der Nähe von Städten mit größerer Bevölkerungszahl.“

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