Schweizer Markt für Unternehmensversicherungen am Scheideweg, während Käufer über Optionen nachdenken

Wie in ganz Europa verhärtete sich auch in der Schweiz der Markt für Geschäfts- und Unternehmensversicherungen im Jahr 2019, da die Versicherungen nach der langen Marktschwäche wegen bestehender Überkapazitäten und des Kampfs um Marktanteile endlich wieder Gewinne aus ihrem Versicherungsneugeschäft erzielen mussten.

Branchenvertreter sind sich grundsätzlich einig, dass die Schadenquoten verbessert werden müssen, da die Finanzergebnisse der Versicherer nicht gut genug waren und die Zinssätze in einigen Ländern sogar in den negativen Bereich abgerutscht sind.

Abgesehen von stark steigenden Preisen in vielen Kernversicherungsbereichen sehen sich die Schweizer Risikomanager auch mit einem Kapazitätsabbau konfrontiert, der in einigen Bereichen und Sektoren dramatisch ist.

Die Versicherer stehen dem massiven Schadenpotential z.B. bei Cyber- oder Naturkatastrophenrisiken zunehmend skeptischer gegenüber, da ihre potenzielle Risikohäufung stetig zunimmt.

Mit dem Eintreffen von Covid-19 ist die Marktlage weiter eskaliert und hat weltweit Länder in eine Rezession gestürzt. Die Pandemie hat zudem die Debatte über Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor erneut angefacht. Dies sind in der Tat ereignisreiche Zeiten, und die Versicherer müssen sich etwas einfallen lassen. Also fragte Commercial Risk Europe führende Schweizer Makler, was dies alles für die Erneuerungssaison 2020/2021 für Schweizer Risikomanager bedeutet.

Hugo Wegbrans, Global Chief Broking Officer bei Aon, sieht die grössten Preissteigerungen auf dem Schweizer Markt in den Sparten Financial Lines, Handelskredit, Personal Lines sowie Sachversicherung und Betriebsunterbrechung (BI).

Zwar rechnet er mit einem anhaltend harten Markt, räumt aber auch ein, dass der Markt in der Schweiz weniger drastisch betroffen zu sein scheint als anderswo.

Peter S. Philipp, Leiter Corporate Risk and Broking für die Schweiz bei Willis Towers Watson, stimmt dem, was die Preiserhöhungen betrifft, weitgehend zu.

«Wir sehen Prämienerhöhungen von 15%-50% in den Sach und Hafpflichtsparten, während die Financial Lines (Directors’ & Officers’, Kriminalität, Cyber, kombinierte Organ- und Berufshaftpflichtversicherung für Vorsorgeeinrichtungen) weiterhin am stärksten betroffen sind, wo Steigerungen zwischen 50% und 500% zu beobachten sind», sagte er.

Wie sollen sich Versicherer und Kunden jetzt verhalten, da die Voraussetzungen für eine anhaltend harte Marktphase gegeben sind und wo die Prämien für Risiken am oberen Ende sogar eventuell die Grenzen dessen überschreiten, was der Markt bieten kann?

Peter S. Philipp meint hierzu: «Jeder Kunde sollte mit Hilfe seiner technischen Makler jede Deckung gründlich überprüfen und hinterfragen, ob er bestimmte Deckungen wirklich benötigt oder wünscht. Abhängig von den individuellen Analyseergebnissen, abgestimmt auf die Kapitalstärke des einzelnen Unternehmens, könnten die Kunden entweder einen grösseren Teil des Risikos oder das gesamte Risiko übernehmen.»

Jetzt ist es an der Zeit, dass Risikomanager, Makler und Versicherer ihr Fachwissen, ihre Beziehungen und ihre Technologie nutzen, um auf eine optimale Abstimmung der Risiken mit den Versicherungslösungen hinzuarbeiten. Jüngste Fortschritte in der Datenanalyse könnten sich als besonders nützlich erweisen, um diesbezüglich neues Potenzial freizusetzen.

Das Timing ist ebenfalls wichtig, wie Hugo Wegbrans hervorhebt: «Entscheidend ist ein rechtzeitiger Beginn des Erneuerungsprozesses. Ein früher Dialog mit wichtigen strategischen Versicherungspartnern hilft den Underwritern, das Risiko richtig zu verstehen, und ermöglicht es ihnen somit, ein realistisches Prämienniveau zu berechnen.»

Neben einem guten Timing und einer guten Datenauswertung wäre ein verbesserter Zugang zu Kapazitäten auf dem internationalen Markt von Vorteil. Das gegenwärtige Marktumfeld ermutigt Risikomanager dazu, Beziehungen zu Maklern zu knüpfen, die sich noch mehr ins Zeug legen, um Zugang zu einer breiteren Marktkapazität zu verschaffen, natürlich auch für Rückversicherungen.

Tatsächlich könnte aus der gegenwärtigen Lage eine Neuordnung des Marktes resultieren. Allgemein wird davon ausgegangen, dass sich der harte Markt weiter verhärten wird. Dies wird Innovationen in Bereichen wie dem alternativen Risikotransfer, z.B. in Form von Captives oder parametrischen Lösungen, fördern.

Der harte Markt dürfte auch Versicherer und Risikomanager zu mehr Effizienz anspornen, z.B. durch präzisere Risikodefinitionen oder eine verbesserte Datenanalyse und Zusammenarbeit. Davon würde die Branche längerfristig profitieren.

Dies wäre an sich schon eine positive Entwicklung. Das ist auch deshalb wichtig, weil die Versicherbarkeit bestimmter Risiken zu einem Thema wird. Aktuell ist natürlich die Pandemiedeckung das vordringliche Thema, das einen öffentlich-privaten Ansatz erfordert. Die Schweizer Regierung arbeitet derzeit an einer Pool-Lösung für das Pandemierisiko, und der Bundesrat wird diesbezüglich im Frühjahr 2021 weitere Einzelheiten zum geplanten Vorgehen bekannt geben.

Gleichzeitig ist solch eine Pandemie, insbesondere in der jetzigen Dimension, ein Ausnahmeereignis. Die Beteiligung der Regierung an der Risikodeckung sollte in jedem Fall die Ausnahme bleiben. Es ist Aufgabe des Privatsektors, sich an das sich verändernde Risikoumfeld anzupassen.

Ein Beispiel sind die Cyberrisiken. So herausfordernd sie auch sind, gibt es dennoch ausgereifte, angemessene Marktlösungen. Darüber hinaus beraten einige Versicherungsanbieter die Unternehmen bei der Bewältigung ihrer Cyberrisiken und machen sie damit versicherbar.

Diese Erneuerungssaison ist eine Bestätigung des harten Marktes, der im letzten Jahr begann. Zudem deutet vieles darauf hin, dass sich der Trend fortsetzen wird. Es lässt sich nur bedingt vorhersagen, wie der Markt reagieren wird. Auf jeden Fall werden die Marktteilnehmer die Entwicklung mit grösstem Interesse beobachten. Darin sind sich die Marktexperten einig.

Das Zusammenspiel von technologischem Fortschritt und Innovationsdruck kann zu einer Art Wendepunkt führen, wie Versicherer und Versicherungskunden Risiken handhaben.

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