Schweizer Regierung will im Frühjahr eine Pandemie-Versicherung ankündigen

Die Schweizer Regierung arbeitet zurzeit an einer Pool-Lösung für das Pandemierisiko, und der Bundesrat wird diesbezüglich im Frühjahr 2021 weitere Einzelheiten zum geplanten Vorgehen bekannt geben.

Der Schweizerische Versicherungsverband hat im Sommer nachdrücklich erklärt, dass eine Pandemie im Gegensatz zu einer Epidemie grundsätzlich nicht auf normalem Wege versicherbar ist, da sie zu viele Sparten gleichzeitig betrifft (Leben und Nichtleben), während sie gleichzeitig die Anlageportfolios und die Vermögensbasis der Versicherer belastet.

Die Position des SVV wurde bereits im Juli in einer Analyse von Michaela Bruer und Angela Zeier Röschmann, Institut für Risk & Insurance an der ZHAW School of Management and Law, Teil der Universität Winterthur, treffend zusammengefasst.

Sie wiesen darauf hin, dass die Schweizer Versicherungswirtschaft insgesamt nach Angaben der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht in den Sparten Leben, Nicht-Leben und Rückversicherung Prämien von rund CHF 114 Milliarden pro Jahr vereinnahmt.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut KOF bezifferte die Kosten der Pandemie für die Schweizer Volkswirtschaft allein zwischen März und Juni bereits auf CHF 35 Milliarden.

«Versicherer können Verluste dieser Grössenordnung nicht alleine tragen. Entweder wären die Prämien für die Kunden unerschwinglich hoch oder die Branche selbst würde bei der nächsten Pandemie insolvent werden. Das Fazit hieraus ist, dass eine Pandemie die Kapazität sowohl eines einzelnen Versicherungsunternehmens als auch der gesamten Branche überfordert», schlussfolgerten die Autoren und forderten eine staatlich getragene Lösung als einzig realistische Antwort.

Ivo Menzinger, Head EMEA of Public Sector Solutions bei Swiss Re, leitete innerhalb des SVV ein Projektteam, das die Machbarkeit einer Lösung für künftige Pandemien untersuchte und die Ergebnisse an die Projektorganisation der Bundesregierung übermittelte.

Vor kurzem erläuterte er in einem Artikel auf der SVV-Website, warum eine Pandemie nicht auf herkömmliche Weise versicherbar ist.

«Ein Hauptgrund dafür liegt darin, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Pandemie rein privatwirtschaftlich grundsätzlich nicht versicherbar sind. Ein solches Ereignis verstösst eigentlich gegen sämtliche Prinzipien der Versicherbarkeit. Denn: Eine Pandemie ereignet sich per Definition weltweit zur selben Zeit, wodurch eine Diversifizierung verunmöglicht wird. Da die wirtschaftlichen Schäden letztlich durch behördlich angeordnete Schliessungen entstehen, ist auch die Schätzbarkeit stark eingeschränkt.», sagte er.

Ivo Menzinger erklärte, dass die von ihm geleitete SVV-Projektteam dem Eidgenössischen Finanzdepartement Ende September als Teil einer Arbeitsgruppe aus Vertretern der Bundesverwaltung einen Bericht mit möglichen Lösungen vorgelegt habe.

Er bestätigte, dass der Bundesrat auf der Grundlage dieses Berichts im ersten Quartal 2021 laut eigenen Angaben über die nächsten Schritte entscheiden will. «Normalerweise nehmen solche Projekte viel mehr Zeit in Anspruch – aber dieses Mal musste es sehr schnell gehen», sagte Menzinger.

Er meinte, der SVV sei der Ansicht, dass mit dem bestehenden Schweizer Epidemiegesetz schon eine gute Grundlage zum Aufbau einer möglichen Public-Private-Partnership bestünde. «Die finanzielle Vorbereitung ist ein wesentlicher Teil davon. Entscheidend ist, dass das Vorhaben auf die finanzielle Rückendeckung des Bundes beziehungsweise der öffentlichen Hand zählen kann.», erklärte er.

Menzinger fügte hinzu, dass die bestehende schweizerische Elementarschaden-Versicherung zeige, dass die Solidarität der Versicherten und der Versicherer in der Schweiz funktioniert. «Bei dieser Versicherung zahlen alle die gleiche Prämie – ganz egal, wie gross die Gefährdungslage für die einzelnen Personen ist. Auch eine Pandemieversicherung müsste zu einem hohen Grad ein Solidarwerk werden, einschliesslich der Beteiligung des Bundes», sagte er.

Eine wichtige Frage ist, ob ein solches System verpflichtend sein muss. Ivo Menzinger glaubt, dass es idealerweise so sein sollte, damit das System wirklich funktioniert.

«Damit die Lösung funktionieren kann, braucht es eine sehr hohe Versicherungsdurchdringung, was jedoch nicht notwendigerweise mit einem Obligatorium gleichzusetzen ist. Ein solches Modell wird nur dann erfolgreich sein, wenn ein Grossteil der Unternehmen mitmacht und sich an der Vorfinanzierung beteiligt. Freiwilligkeit wird aus meiner Sicht nicht funktionieren», so Menzinger.

«Manche Unternehmen würden gegebenenfalls darauf hoffen, dass die öffentliche Hand im Notfall wieder einspringen würde und es deswegen keine Versicherung braucht. Ich glaube kaum, dass die Politik im Notfall betroffenen KMU sagt: Ihr habt bewusst darauf verzichtet, vorzufinanzieren, also gibt es jetzt keine Unterstützung», fügte Menzinger hinzu.

Alle Risikomanager, mit denen Commercial Risk Europe über solche Systeme in ganz Europa gesprochen hat, räumen ein, dass die Versicherungsnehmer ein gewisses Eigenrisiko haben müssen und dass Risikomanagement und Schadensprävention gefördert werden müssen, damit diese Systeme funktionieren. Herr Menzinger stimmt dem zu.

«Die Versicherungsnehmer müssen bereit sein, über den Selbstbehalt und eine gewisse Karenzfrist einen Teil des Risikos zu übernehmen. Zudem sollte der Anreiz zur Selbstvorsorge auch in Zukunft bestehen und idealerweise zusätzlich gestärkt werden. Auch die Versicherer sind bereit, bei einer sachgerechten Prämie einen kleinen Teil des finanziellen Risikos zu übernehmen», sagte er.

«Mindestens so wichtig ist aber, dass sie die Kontakte zu hunderttausenden Unternehmen im Land haben sowie über das nötige Know-how verfügen, um tatsächlich aufgrund der Pandemie erlittene Schäden automatisiert zu quantifizieren und abzuwickeln. Das erlaubt einen gezielten und effizienten Einsatz privater und öffentlicher Mittel. Die öffentliche Hand wird als ultimativer Garantiegeber ebenfalls Risiko tragen müssen», fügte Menzinger hinzu.

Die Versicherer verfügen bereits über die Systeme und das Personal, um ein solches Schadensvolumen zu bewältigen, und dies muss automatisiert erfolgen, um in der Praxis funktionieren zu können, fügte der Experte hinzu.

Es wurden Forderungen laut, dass die Europäische Union auch eine gesamteuropäische Unterstützung für solche nationalen Systeme bereitstellen sollte. Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (European Insurance and Occupational Pensions Authority, EIOPA) hat zu diesem Konzept Stellung genommen, und die Federation of European Risk Management Associations (FERMA) ist ebenfalls Befürworter des Konzepts.

Menzinger sagte, dass eine solche gesamteuropäische Lösung jedoch nicht leicht zu realisieren sein werde, insbesondere wenn sie eine Alternative zu nationalen Lösungen darstellen soll.

«Auch wenn sich in den verschiedenen Ländern oftmals die gleichen Fragen stellen, gehen die Lösungsansätze je nach System auseinander. Das liegt daran, dass die Rahmenbedingungen überall unterschiedlich sind. Deshalb sehe ich eine länderübergreifende Lösung als wahrscheinlich zu schwierig», sagte Menzinger.

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