Schweizer Risikomanager halten an Pandemieplan fest, während sie sich auf harte Erneuerungen vorbereiten

Bislang hat der Schweizerische Verband der Insurance und Risk Managers (SIRM) zu den Vorschlägen des Schweizerischen Versicherungsverbandes für eine staatlich getragene Pandemieversicherung noch keine formelle Position bezogen.

Vermutlich liegt dies unter anderem daran, dass sich die Schweizer Risiko- und Versicherungsmanager, wie auch ihre Kollegen in ganz Europa, derzeit ganz auf die Bewältigung einer anscheinend sehr schwierigen Erneuerungsperiode konzentrieren, in der die Preise in den meisten Sparten steigen, während die Kapazität gleichzeitig in vielen abnimmt, wie zwei führende SIRM-Mitglieder diese Woche gegenüber Commercial Risk Europe bestätigten.

Man kann davon ausgehen, dass die meisten SIRM-Mitglieder ein solches staatlich getragenes System genauso wie ihre Kollegen in ganz Europa generell unterstützen würden. Aber die Einzelheiten des vorgeschlagenen Systems sind im Moment noch unklar, so dass die gezeigte Zurückhaltung möglicherweise vorerst angebracht ist.

Mathias Huber, Vorstandsmitglied des SIRM und Group Insurance and Risk Manager der Schweizer Unternehmensgruppe Conzzeta, unterstützte in einem persönlichen Gespräch, nicht aber im Namen des Verbandes, die Idee: «Ich persönlich halte es für eine gute Idee, aber welche Risiken gedeckt werden sollten und wie, das kann man noch nicht sagen», sagte er gegenüber Commercial Risk Europe.

SIRM-Vorstandsmitglied Volker Trapp, Mitglied der Fachkommission für Recht & Versicherung bei DHL Global Business Services in Basel, ist sich nicht so sicher, ob so ein System pauschal funktionieren könnte, oder ob ein massgeschneiderter Ansatz aus dem Versicherungssektor sinnvoller wäre.

Auf die Frage, ob er eine staatlich getragene Versicherungslösung für Pandemien für sinnvoll halte, antwortete er: «Im Allgemeinen nein, denn eine Gesundheitskrise würde zu viel Kapital erfordern – viel mehr Kapital, als eine solche Versicherung bereitstellen könnte. Ausserdem sind die finanziellen Erfordernisse in einer solchen Krise recht unterschiedlich. Es gibt Sektoren wie Tourismus, Kultur usw., die stark betroffen sind, während andere in unserer gegenwärtigen Situation sogar profitieren, wie Pharma und Logistik».

«Darüber hinaus wissen wir nicht, wie sich künftige Pandemien entwickeln werden. Die Vorhersagen liegen zwischen 100-Jahres-Ereignissen und der zunehmenden Häufigkeit solcher Ereignisse (alle 15 Jahre eine Pandemie). Der Versicherungssektor sollte Produkte und Deckungen je Industriesektor entwickeln, um potenzielle künftige Ereignisse abzudecken und Diskussionen zu vermeiden, wie jetzt, wo die Versicherer argumentieren, dass eine Pandemie keine Epidemie ist. Und für den Fall, dass dies nicht ausreichen sollte, kann der Staat über den Steuerzahler (was wir alle sind) immer noch einspringen, um die Wirtschaft und die Gesellschaft als Ganzes zu retten», fügte er hinzu.

Die Schweizer Risikomanager haben es aktuell mit dem härtesten Markt seit Jahren zu tun, und den Kollegen in ganz Europa geht es ähnlich.

Huber rechnet auf jeden Fall mit einer weiteren Marktverhärtung zum Jahresende und darüber hinaus und rät den SIRM-Mitgliedern, dafür zu sorgen, dass sie Maklern und Versicherern möglichst aktuelle Informationen vorlegen können und sich darauf einstellen, mehr Risiken selbst zu tragen.
«Ja, eine weitere Verhärtung ist sehr wahrscheinlich, und wir sehen einen Kapazitätsrückgang in der Sparte Financial Lines», sagte er. «Schweizer Risikomanager sollten die neuesten Informationen über die Risiken ihrer Unternehmen aufbereiten und ihre Versicherungspartner entsprechend unterrichten, um jegliche Unsicherheit für die Versicherungspartner zu vermeiden. Darüber hinaus sollte sich jedes Unternehmen auf die Übernahme von mehr Risiken einstellen. Die bevorzugte Lösung [höhere Selbstbehalte, Einsatz von Captives usw.] ist sehr individuell», fügte Herr Huber hinzu. Andere führende europäische Risikomanagementverbände wie AMRAE in Frankreich und GVNW in Deutschland haben ihre Regierungen aufgerufen, in dieser schwierigen Zeit zu erwägen, die Gründung und den Einsatz von Captives zur Unterstützung des Risikomanagements für Unternehmen zu erleichtern und attraktiver zu gestalten.

Captives sind in der Schweiz bereits fest etabliert, mehr noch als in den meisten EU-Ländern, so dass Huber keinen konkreten Handlungsbedarf in diesem Bereich sieht.
«Die Gründung eines Captive ist ein üblicher Geschäftsvorgang für Unternehmen, die über die nötige Finanzkraft verfügen, um ihre Risiken selbst zu tragen. Gegenwärtig ist das regulatorische Umfeld für die Gründung eines Captive neutral. Daher hängt die Entscheidung über die Einrichtung eines Captive wahrscheinlich eher davon ab, ob ein Unternehmen ein hohes Mass an Risiken in einer Captive halten will, als von der regulatorischen Attraktivität», sagte er.

Volker Trapp erwartet bei den kommenden Erneuerungen wegen eines möglichen Anstiegs des in dem Sektor investierten Kapitals keinen signifikanten weiteren Preisanstieg. Er befürchtet jedoch einen weiteren Kapazitätsabbau in einigen der schwierigeren Sparten wie D&O.

«Ich erwarte keine weitere Verhärtung, aber ich rechne mit einer noch stärkeren Auswahl an guten Risiken. Aufgrund der niedrigen Zinsen sucht das Kapital nach alternativen rentablen Investitionen, wie z.B. im Versicherungssektor, was weitere Preisanstiege verhindern sollte. Was jedoch passieren kann, ist, dass die Versicherer aus strategischen Gründen beschliessen, aus bestimmten Sparten auszusteigen. Dann wird es schwierig, überhaupt noch Kapazität zu finden. Schwierige Sparten sind Kraftfahrzeug, internationaler Transport und D&O», sagte er.

Trapp stimmt mit den meisten europäischen Risikomanagern darin überein, dass sie sich in diesem harten Markt intensiv mit Selbstbehalt und Captive-Strategien befassen sollten.
«Risikomanager sollten die Selbstbehalte erhöhen und nur Spitzenrisiken versichern. Dies ist in sich verhärtenden Märkten immer eine gute Strategie. Captives sind für grössere Unternehmen besser zu handhaben, aber mit solchen «Finanzvehikeln» lässt sich grundsätzlich eine gewisse Unabhängigkeit von volatilen Versicherungsmärkten erreichen. Ausserdem erhalten die Unternehmen einen Versicherungsschutz, der besser zu ihrem jeweiligen Risikoprofil passt. Bis zu einem gewissen Grad können Risikomanager damit auch Diskussionen mit Versicherern vermeiden, ob und wie ein bestimmter (grosser) Verlust gedeckt wird oder nicht», sagte Trapp.

Die Einbeziehung von Captives in das Solvency II Kapitaladäquanz- und Berichtssystem (Swiss Solvency Test in der Schweiz) hat in den letzten Jahren zu vielen Diskussionen geführt. Solvency II sah vor, dass die Aufsichtsbehörden einen proportionalen Ansatz verfolgen sollten, aber dies ist nicht wirklich geschehen und hat zu einer erheblichen Belastung und zusätzlichen Kosten für die Captive-Eigentümer geführt. Volker Trapp sagte, dass die Schweizer Aufsichtsbehörde die Gelegenheit nutzen sollte, um einen speziellen Ansatz für Captives zu entwickeln, was sehr viel Sinn machen würde. «FINMA sollte einen speziellen Solvenz-Stresstest nur für Captives entwickeln und übernehmen und keinen allgemeinen Stresstest wie für Versicherer anwenden», schlug er vor.

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