Versicherungsnehmer vorsichtig gegenüber „neuen“ Risiken, die oft zu Prämienerhöhungen und Ausschlüssen führen

Keine Woche scheint derzeit zu vergehen, in der nicht irgendein nationales, europäisches oder globales Gesetz verabschiedet wird, das die Unternehmensrisiken potenziell erhöht, nicht zuletzt im Bereich der Haftpflicht und insbesondere der D&O.

Ein Beispiel ist das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz, das im Januar nächsten Jahres in Kraft treten wird.

Das Gesetz zielt darauf ab, in Deutschland tätige Unternehmen zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten zu drängen, um die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in Lieferketten zu gewährleisten oder zu verbessern.

Auf deutsche und andere nationale Rechtsvorschriften dieser Art wird eine EU-Richtlinie über die unternehmerische Sorgfaltspflicht im Bereich der Nachhaltigkeit folgen.

Die Europäische Kommission erklärte im Februar, dass dieser Vorschlag darauf abzielt, ein „nachhaltiges und verantwortungsbewusstes“ Verhalten von Unternehmen in globalen Wertschöpfungsketten zu fördern.

„Unternehmen spielen eine Schlüsselrolle beim Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft. Sie müssen nachteilige Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die Menschenrechte, wie Kinderarbeit und Ausbeutung von Arbeitnehmern, und auf die Umwelt, z. B. Verschmutzung und Verlust der biologischen Vielfalt, identifizieren und wenn nötig verhindern, beenden oder abmildern“, erklärte die Kommission.

Fachanwälte meinen, dass diese Gesetze unweigerlich das Haftungsrisiko für deutsche und europäische Unternehmen erhöhen werden, wenn sie diese wissentlich oder unwissentlich nicht einhalten.

Makler und Versicherer warnen davor, dass Geschäftsführer und leitende Angestellte von Unternehmen, die von diesen Gesetzen betroffen sind, persönlich haftbar gemacht werden können, wenn sie es versäumen, Missstände in ihren Lieferketten zu erkennen und dagegen vorzugehen.

Doch wie sich beispielsweise bei der europäischen Umwelthaftungsrichtlinie gezeigt hat, kann nicht eindeutig nachgewiesen werden, dass solche Gesetze zu einem höheren Haftungsrisiko für Unternehmen in Deutschland und ganz Europa führen werden.

Allerdings, so waren sich die Mitglieder des GVNW-Ausschusses im Rahmen der deutschen Risk Frontiers Europe-Umfrage von Commercial Risk einig, werden die Versicherer neue Regelungen und Vorschriften unweigerlich als Argument für weitere Prämienerhöhungen nutzen, um einem vermeintlich erhöhten Risiko Rechnung zu tragen.

„Wir müssen uns alle mit den Lieferketten befassen – die Identität der Unternehmen basiert auf ihren Lieferketten, und die Versicherer beschäftigen sich damit“, sagte Mathieas Kohl, Mitglied des GVNW-Ausschusses, während der Diskussionsrunde.

Dirk Förster, ebenfalls Mitglied des GVNW-Ausschusses, fügte hinzu: „Dies ist ziemliches Neuland, und wir sind uns der Anforderungen bewusst und prüfen, was getan werden muss, um die endgültigen Bestimmungen umzusetzen und zu erfüllen, aber wir erwarten keine großen Änderungen. Wir werden uns auch nach dem Ansatz unserer Versicherer erkundigen.“

„Das deutsche Lieferkettengesetz wird am 1. Januar in Kraft treten und ich habe das Gefühl, dass die meisten Unternehmen gut vorbereitet sind. Wir werden uns die EU-Version genau ansehen, die womöglich strenger ausgelegt wird“, sagte Patrick Fiedler, ebenfalls Mitglied des GVNW-Ausschusses. „Es ist auch für die Versicherer wichtig, aber zurzeit tendieren sie lieber zu Ausschlüssen, als einen positiven Ansatz zu verfolgen, und das ist ein Problem“, fügte er hinzu.

GVNW-Präsident Alexander Mahnke befürchtet, dass die bevorstehenden Regelungen zur Sorgfaltspflicht in der Lieferkette den Versicherern nur einen weiteren Vorwand liefern werden, um höhere Prämien für einen geringeren Versicherungsschutz zu verlangen, und ist der Ansicht, dass dieser Trend Anlass zur Sorge bereitet.

„Dies ist ein gutes Beispiel dafür, was derzeit geschieht. Vor zwanzig Jahren hätten Geschäftsführer von solchen Gesetzesvorhaben gelesen und bei der Versicherungsabteilung nachgefragt, welcher Teil dieses neuen Risikos versicherbar ist. Aufgrund der jüngsten Marktentwicklungen fragen sie nicht einmal mehr nach, weil jeder weiß, dass der Markt keine großen Risiken mehr abdeckt“, sagte er.

„Ich befürchte, dass der Versicherungsmarkt im Laufe der Zeit immer mehr an Bedeutung verlieren wird und die Unternehmen die Risiken selbst abdecken und andere Wege der Risikofinanzierung finden müssen“, so Mahnke weiter.

GVNW-Ausschussmitglied Christian Böhm stimmt dem zu und ist ebenfalls frustriert darüber, dass die Versicherungswirtschaft solche „Nachrichten“ als Vorwand nutzt, um sich weiter zurückzuziehen.

„Ich finde es sehr interessant, dass man über solche Themen in der Presse liest und sie dann in Gesprächen mit Versicherern auftauchen, genauso wie die soziale Inflation etc. als Ausrede für Prämienerhöhungen benutzt werden, insbesondere für D&O-Versicherungen. Die Idee dahinter ist, dass ESG-Berichterstattungsrisiken, Lieferkettenrisiken und Ähnliches zu einer großen Anzahl von D&O-Schäden führen werden, aber ich bezweifle, dass dies so kommen wird“, so Böhm.

„Die Versicherer scheinen sich alles zurechtzulegen, um zu behaupten, dass sie mehr brauchen. Erinnern Sie sich an die 1990er Jahre, als die Umwelthaftungsrichtlinie ausgearbeitet wurde und die Versicherer dachten, sie würden dafür viele neue Prämien erhalten. Letztendlich ist es aber nicht wirklich dazu gekommen. Das Gleiche gilt für die Produkthaftungsrichtlinie, die zu einer großen Anzahl neuer Ansprüche führen sollte, aber nicht wirklich etwas verändert hat. Für mich ist das psychologisch interessant. Mir wäre es lieber, die Versicherer würden die Risikoentwicklung beobachten und das Risiko richtig einschätzen“, fügte er hinzu.

Pia Weiss kommentierte: „Das ist ähnlich wie bei Covid-19 und der Einführung von Ausschlüssen für Infektionskrankheiten. Wir wollen Lösungen, sehen uns aber mit erweiterten Ausschlüssen konfrontiert, die nicht gerechtfertigt sind. Die Versicherer nutzen die Chance, und schließen zu viel aus.“

Back to top button