Deutschen Firmen drohen Strafverfahren wegen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen in China

Das in Berlin ansässige European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in Deutschland stellte Strafanzeige gegen mehrere bekannte Textilmarken und Händler wegen mutmaßlicher indirekter Begünstigung von Menschenrechtsverletzungen in China über ihre Lieferketten.

„Hugo Boss, Lidl und andere Unternehmen begünstigen direkt oder indirekt die mutmaßliche Zwangsarbeit der uighurischen Minderheit in der westchinesischen Xinjiang Uyghur Autonomous Region (XUAR) und profitieren von ihr. Somit könnten sie in Verbrechen gegen die Menschlichkeit involviert sein“, erklärte das ECCHR.

Das ECCHR ist eine unabhängige und gemeinnützige Menschenrechts- und Bildungsorganisation, die sich für die weltweite Durchsetzung von Grund- und Menschenrechten einsetzt. Sie wurde 2007 von Wolfgang Kaleck und anderen internationalen Menschenrechtsanwälten gegründet.

Ziel der Organisation ist es, juristische Mittel zu nutzen, damit „die Verantwortlichen für Folter, Kriegsverbrechen, sexualisierte Gewalt, wirtschaftliche Ausbeutung und abgeschottete Grenzen nicht ungestraft davonkommen.“

Das ECCHR erklärte, dass die chinesische Regierung laut zahlreicher Berichte die Uiguren in der XUAR zur Arbeit in der Textilindustrie und im Konfektionsbereich zwingt.

„Völkerrechtsexperten stuften die systematische Verfolgung der Uighuren als Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein. Trotzdem lassen oder ließen die angezeigten europäischen Textilmarken und Händler bis vor kurzem in Xinjiang produzieren, so steht es zumindest in den von ihnen veröffentlichten Zuliefererlisten“, erklärte das ECCHR.

Laut der Organisation halten sie so ein Geschäftsmodell aufrecht, das mutmaßlich auch auf Zwangsarbeit basiert – obwohl ihnen das Risiko des Einsatzes von Zwangsarbeitern bekannt sein müsste.

„Europäische Unternehmen profitieren somit möglicherweise von Menschenrechtsverletzungen. Mit der in Deutschland eingereichten Strafanzeige fordert das ECCHR die Generalbundesanwaltschaft auf, die mutmaßliche Zwangsarbeit und die mögliche rechtliche Verantwortung der Unternehmen zu untersuchen“, heißt es weiter.

„Die Strafanzeige verdeutlicht die möglicherweise systematische Beteiligung europäischer und deutscher Unternehmen an mutmaßlicher, staatlich geförderter Zwangsarbeit in Xinjiang“, sagte Miriam Saage-Maaß, Leiterin des ECCHR-Programms Wirtschaft und Menschenrechte.

„Es ist inakzeptabel, dass europäische Regierungen China für Menschenrechtsverletzungen kritisieren, während die Unternehmen womöglich von der Ausbeutung der uighurischen Bevölkerung profitieren. Es ist höchste Zeit, dass die Verantwortlichen in den Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, falls sich der Verdacht der Zwangsarbeit bestätigen sollte“, fügte sie hinzu

„Der Fall veranschaulicht, dass Unternehmen völkerstrafrechtliche Standards einhalten müssen, wenn sie Geschäftsbeziehungen in repressive Länder unterhalten. Firmen müssen verhindern, dass sie möglicherweise Beihilfe zu Völkerrechtsverbrechen und anderen Menschenrechtsverletzungen leisten“, so das ECCHR weiter.

Laut der Organisation betont Hugo Boss, dass das Unternehmen keinerlei Zwangs- oder Pflichtarbeit oder Formen moderner Sklaverei toleriere und alle Partner entlang der Lieferkette verpflichte, für die Einhaltung der Menschenrechte zu sorgen.

Nach Angaben des ECCHR habe Hugo Boss die Berichte und Vorwürfe im Hinblick auf Menschenrechtsverletzungen in der Region sehr ernst genommen und bereits vor vielen Monaten seine direkten Lieferanten aufgefordert, zu bestätigen, dass die Fertigung der Waren in der Lieferkette entsprechend der Werte und Standards von Hugo Boss erfolge und dabei insbesondere die Menschenrechte und faire Arbeitsbedingungen entlang der Lieferkette beachtet würden.

Das ECCHR fügte in seiner Erklärung hinzu, dass Hugo Boss in Reaktion auf die Berichte zu einem Lieferanten zusätzlich eigene Audits in den Produktionsbetrieben durchgeführt habe, die keine Anhaltspunkte für den Einsatz von Zwangsarbeitern ergeben hätten.

Das ECCHR berichtete weiter, dass Lidl nach eigenen Angaben die Grundrechte aller Beteiligten in den verschiedenen Stufen der Lieferketten schütze. Die „Null Toleranz“-Position gegenüber Zwangs- und Kinderarbeit sei Teil des schriftlichen „Code of Conduct“, der Lidls Vertragspartner zur Einhaltung und Umsetzung sozialer und ökologischer Standards verpflichte, so das ECCHR.

Lidl will mögliche Verstöße „untersuchen und entsprechende Schritte einleiten“, sollte die Position des Unternehmens missachtet worden sein.

Die Fallarbeit zu China begann im April 2021, als das ECCHR eine ähnliche Anzeige der französischen Organisation Sherpa unterstützte, die ebenfalls mit Rechtsmitteln gegen Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen vorgeht. Laut ECCHR haben die französischen Behörden bereits Ermittlungen aufgenommen.

„Die deutschen Strafverfolgungsbehörden sollten diesem Beispiel folgen und Untersuchungen einleiten“, stellte das ECCHR abschließend fest.

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