Deutsche Handelskammer schließt sich der Forderung nach einem risikobasierten Ansatz für Hochwasserrisiken an

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat die regionalen und nationalen Behörden aufgefordert, beim Wiederaufbau nach der jüngsten Hochwasserkatastrophe Flexibilität und Handlungsfähigkeit an den Tag zu legen.

Gemeinsam mit anderen Interessenverbänden wie dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) fordert der DIHK angesichts der sich verstärkenden Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland eine bessere Planung und Bauvorschriften sowie ein verbessertes Risikomanagement für künftige Bauprojekte.

„Wir brauchen nun schnelle und einfache Lösungen“, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian zu den Konsequenzen der Flutkatastrophe.

Adrian sagte, dass für die Unternehmen in den Hochwassergebieten in West- und Süddeutschland sehr schnell Klarheit darüber geschaffen werden muss, wie sie ihren Neustart angehen können. Die oft langwierigen, komplexen und übermäßig bürokratischen Planungsprozesse müssen verbessert werden, sagte Peter Adrian.

„Viele Tausend Betriebsstandorte wurden durch die jüngsten Hochwasser-Ereignisse zerstört oder beschädigt. Sehr viele weitere Unternehmen sind durch die vom Hochwasser ganz oder teilweise fehlenden Straßen, Schienen oder Netze in ihren betrieblichen Aktivitäten stark behindert“, stellte er fest.

„Wir brauchen deshalb nun schnelle und einfache Lösungen für die betroffenen Unternehmensstandorte und für den Wiederaufbau der Infrastruktur. Denn für die Unternehmen muss sehr schnell Klarheit darüber geschaffen werden, ob und wie sie ihren Neustart in klimaangepasster Bauweise am bisherigen Standort angehen können. Die Betriebe und ihre Belegschaften setzen ihre Hoffnungen auf solche Zukunftsperspektiven“, erklärte Adrian weiter.

Sowohl Unternehmen als auch Verwaltungen in den betroffenen Regionen brauchen nun Unterstützung, um die Planungs- und Genehmigungsverfahren vor Ort zu beschleunigen, so der DIHK. Planungsexperten aus Bundes- und Landeseinrichtungen können hoffentlich vielfach bei diesen Verfahren unterstützen. Den Unternehmen würden wiederum wo immer möglich beschleunigte Zulassungsverfahren oder Genehmigungsfreistellungen zugutekommen, führte der DIHK weiter aus.

„Aufgrund der Erfahrungen bisheriger Hochwasser empfiehlt es sich schließlich, klimaangepassten, nachhaltigen Überschwemmungsschutz einerseits sowie die Standortentwicklung andererseits ausgleichend zu berücksichtigen. Das bedeutet konkret, dass alle relevanten Akteure – von der Stadt- und Regionalplanung über den Umwelt- und Gewässerschutz bis zu den ansässigen Unternehmen – von Beginn an den Prozess des Wiederaufbaus gemeinsam gestalten sollten“, so der DIHK.

Die neue Bundesregierung, die aus der Bundestagswahl Ende September hervorgehen wird, wird auch vom GDV hören, der mögliche Lösungen für systemische Risiken, einschließlich Naturkatastrophen, erörtern will.

Der GDV hat kürzlich bestätigt, dass die in diesem Jahr bisher entstandenen Schäden, vor allem durch Hochwasser und Hagel, das Jahr 2021 für die deutschen Versicherer das teuerste Naturgefahrenjahr seit mindestens 50 Jahren machen werden. Der rechnet jetzt mit mindestens 11,5 Milliarden Euro an versicherten Schäden.

Der GDV hat in den letzten Wochen immer wieder deutlich unterstrichen, dass nur ein relativ geringer Teil der Naturgefahren-Schäden unversichert war.

Während bundesweit fast alle Wohngebäude gegen Sturm und Hagel abgesichert sind, besitzen nur 46 Prozent den Schutz vor weiteren Naturgefahren wie Starkregen und Hochwasser, so der GDV.

Dieses Problem muss auf staatlicher Ebene angegangen werden, um Schadensprävention, Risikomanagement und eine mögliche Pflichtversicherung zu fördern, so der Gesamtverband.

Der GDV hat unlängst angekündigt, dass er in Kürze Vorschläge vorlegen wird, wie Naturgefahren wirksamer und kostengünstiger abgesichert werden können.

„Wir werden zusammen mit unseren Mitgliedsunternehmen bis zum Herbst Ideen vorlegen, wie sich die Verbreitung von Naturgefahrenversicherungen zu risikogerechten Preisen signifikant erhöhen lässt“, erklärte Asmussen. „Es gilt auch jene zu erreichen, die trotz der jüngsten Flutkatastrophe nicht glauben wollen, dass auch sie von Naturgefahren betroffen sein können“, erklärte Jörg Asmussen, der  Hauptgeschäftsführer des GDV.

„Zudem müsse alles getan werden, um durch Schutzmaßnahmen Schäden zu vermeiden oder zumindest deren Ausmaß deutlich zu verringern. Die deutschen Versicherer sprechen sich daher für ein neues Gesamtkonzept zur Klimafolgenanpassung aus Aufklärung, verbindlichen Maßnahmen zur privaten und staatlichen Prävention und Versicherung aus“, führte er weiter aus.

Der GDV unterstrich allerdings auch, dass eine Pflichtversicherung gegen Hochwasser ohne wirkungsvolle Anreize für eine bessere Schadensprävention und ein wirksames Risikomanagement nicht funktionieren wird.

„Als einzelnes Instrument lehnen wir [eine Pflichtversicherung] ab, weil sie den Anreiz nimmt, sich gegen Flut- und andere Extremwetterrisiken abzusichern…Sie wäre allenfalls dann sinnvoll, wenn sie in ein neues Gesamtkonzept für Flächen- und Bauplanung sowie den Katastrophenschutz eingebunden wäre“, so Asmussen.

„Es ist ermutigend, dass fast die Hälfte der Gebäudeeigentümer jetzt gegen andere Naturgefahren geschützt ist. Die übrigen sollten ihren Versicherungsschutz jetzt überprüfen und anpassen“, fügte er hinzu.

Auch der GVNW wird sich an der Gestaltung tragfähigerer Absicherungslösungen beteiligen, um die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft widerstandsfähiger zu machen und besser auf künftige Krisen vorzubereiten.

Auf dem Symposium, das heute beginnt, wird auch die mögliche Rolle von Public Private Partnerships (PPP) bei der Bewältigung von Systemrisiken thematisiert werden.

Alexander Mahnke, Präsident des GVNW, räumte ein, dass bei diesem wichtigen Thema seit letztem Sommer nur wenige Fortschritte erzielt worden seien. Er erklärte jedoch kurz vor dem Symposium gegenüber Commercial Risk Europe, dass der Gesamtverband keineswegs in seinen Bemühungen nachlassen wolle, und betonte erneut, dass eine etwaige Lösung nicht auf Pandemien beschränkt sein dürfe, insbesondere angesichts der jüngsten Überschwemmungen und der zunehmenden Cyber-Bedrohung.

„Wir sind davon überzeugt, dass diese [PPP-Lösung] auch bei Pandemierisiken möglich und notwendig ist. Wir haben von Anfang an gesagt, dass sie nicht nur auf Gesundheitskrisen beschränkt sein sollte. Wir setzen uns zwar zunächst für eine solche Lösung für Pandemien ein, aber das sollte nicht exklusiv sein. Cyber-Risiken oder Naturkatastrophen können ebenfalls Szenarien hervorrufen, die vom Versicherungsmarkt allein nicht bewältigt werden können“, sagte Alexander Mahnke gegenüber Commercial Risk Europe, kurz vor der heutigen Eröffnung des GVNW-Symposiums.

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