Deutsche Risikomanager lenken ihr Augenmerk auf Engpässe in der Lieferkette

Der Schwerpunkt der jüngsten Ferma Talks-Veranstaltung zum Thema Krisenfestigkeit lag natürlich auf der Covid-19-Pandemie, Cyberkriminalität und Naturkatastrophen. Aber auch das zunehmend problematische Thema der Lieferketten wurde während der zwei Tage immer wieder angesprochen, und insbesondere GVNW-Mitglieder müssen ihre Aufmerksamkeit auf dieses wichtige Thema richten, da die deutsche Wirtschaft anfälliger für Lieferkettenschocks ist als die meisten anderen.

In einem Interview mit Commercial Risk vor der Veranstaltung sagte Dirk Wegener, Präsident von Ferma und im Hauptberuf Leiter des Bereichs Versicherungen bei der Deutschen Bank, dass seiner persönlichen Einschätzung nach die Lieferkettenproblematik derzeit ganz oben auf der Risikoagenda der deutschen und europäischen Risiko- und Versicherungsmanager stehe.

„Insgesamt haben wir in den letzten zwei Jahren wichtige Lehren über die Anfälligkeit von Unternehmen gezogen, und eine der größten Sorgen ist das reibungslose Funktionieren der Lieferketten.  Abgesehen von den allgemeinen Belastungen durch die Pandemie gab es in letzter Zeit auch Ereignisse wie die Blockade des Suezkanals, die die Besorgnis über die Lieferketten noch verstärkt haben. Dies ist eine wichtige Lehre aus der Pandemie“, sagte Dirk Wegener, der erste deutsche Präsident der Ferma, der sich bereit erklärt hat, seine Amtszeit um weitere zwei Jahre zu verlängern.

„Die Umfrage, die Ferma kürzlich in Zusammenarbeit mit McKinsey veröffentlicht hat, ergab, dass das Bedürfnis nach einer Stärkung der Krisenfestigkeit in Unternehmen eines der wichtigsten Ergebnisse der Pandemie ist. Die Unternehmen stellen nun die Krisenfestigkeit in den Mittelpunkt ihrer Organisation. Ein Beispiel dafür ist die Stärkung, Anpassung und Umstrukturierung der Lieferketten“, fuhr Wegener fort.

Die Folgen der Belastungen, denen die globalen Lieferketten in letzter Zeit ausgesetzt waren, sind in Deutschland vielleicht noch ausgeprägter als in anderen europäischen Ländern, da die deutsche Wirtschaft sowohl exportorientiert als auch von Rohstoffen aus der ganzen Welt abhängig ist.

Jüngste Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass die deutsche Industrieproduktion im August aufgrund von Unterbrechungen in der Lieferkette, die das Wachstum bremsen, weit stärker als erwartet zurückgegangen ist. So ging die deutsche Industrieproduktion im August um 4 % im Vergleich zum Vormonat zurück, nachdem sie im Juli noch um 1,3 % gestiegen war.

„Die Hersteller berichten weiterhin von Produktionshemmnissen aufgrund von Lieferengpässen bei Vorprodukten“, erklärte das Bundesamt in einer Mitteilung.

Mitte September ergab eine Umfrage des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), dass die Mehrheit der deutschen Maschinenbauunternehmen mit ernsthaften Problemen in der Lieferkette konfrontiert ist und davon ausgeht, dass die Produktion im weiteren Verlauf dieses Jahres beeinträchtigt wird.

Nach Angaben des VDMA meldeten rund 81 % der Maschinenbauunternehmen Beeinträchtigungen in ihren Lieferketten, insbesondere bei elektronischen Komponenten. Zwei Drittel der befragten Unternehmen litten unter Beeinträchtigungen in der Logistik- und Transportabwicklung.

„Das ist deutlich mehr als noch auf dem Höhepunkt der Pandemie Mitte April 2020“, erklärte VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Ende September wurden die düsteren Nachrichten des VDMA vom einflussreichen ifo-Wirtschaftsforschungsinstitut bestätigt. Der ifo-Geschäftsklimaindex fiel von 99,6 Punkten im August (saisonbereinigt) auf 98,8 Punkte im September. Dies war der dritte Rückgang in Folge.

„Die Unternehmen waren weniger zufrieden mit ihrer aktuellen Geschäftslage. Sie blicken außerdem skeptischer auf die kommenden Monate. Die Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten bremsen die deutsche Konjunktur. Die Industrie erlebt eine Flaschenhals-Rezession“, teilte das Institut mit.

 

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