Fachverband fordert mehr Kohärenz bei der Nachhaltigkeitsregulierung

Ein führender Experte auf dem deutschen Markt für nachhaltige Geldanlagen hat eine harmonischere Regulierung der Klassifizierung von nachhaltigen oder ESG-Fonds gefordert.

Roland Kölsch, Geschäftsführer von QNG, der Tochtergesellschaft des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG), dem Fachverband für nachhaltige Geldanlagen in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz, sagte gegenüber Commercial Risk DACH, dass das derzeitige „Sammelsurium“ an Vorschriften zu „Flickschusterei“ und „Schönfärberei“ führen könnte.

Finanzinvestitionen unterliegen der Taxonomie-Klassifizierung der EU, bei der die Kompatibilität von Investitionen mit detaillierten umweltverträglichen Wirtschaftstätigkeiten erfasst wird.

Darüber hinaus gibt es die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR), die Offenlegungspflichten für Finanzmarktteilnehmer und ihre ESG-Produkte vorschreibt. Die Verordnung soll das so genannte „Greenwashing“ unterbinden, bei dem Fonds als „nachhaltig“ bezeichnet werden, ohne dass die angewandte Methodik offengelegt wird.

Eine dritte wichtige neue Regelung im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit ist MiFID II, nach der Finanzberater beim Produktverkauf einen konkreten Zielmarkt benennen müssen.

Kölsch wies darauf hin, dass dies zu einem Sammelsurium von Regulierungsvorschriften führen kann, das die Unternehmen zu sehr mit der bloßen Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen belastet. Er sagte: „Wir brauchen eine harmonisierte Regulierung in Bezug auf Taxonomie, SFDR und MiFID II, vor allem um ein nationales Regulierungswettrennen zu verhindern. Der nächste Schritt ist dann, die harmonisierte Regulierung auf europäischer Ebene einzuführen.“

Außerdem warnte Kölsch davor, jede Vorgabe in jeder Vorschrift zu streng auszulegen: „Es ist ein Riesenproblem, wenn alles auf den Millimeter genau genommen und rechtlich ausgelegt wird“, kommentierte er.

Als Beispiel nannte er einen Fall, in dem ein Vermögensverwalter in Sozialanleihen investierte. Obwohl Sozialanleihen normalerweise als nachhaltige Anlage mit einem klaren ESG-Ziel eingestuft würden, wollte der Fondsanbieter keine SFDR-Erklärung nach Art. 9 abgeben.

Da sich der Vermögensverwalter nicht in der Lage sah, über einige grüne Hauptindikatoren für nachteilige Auswirkungen (PAII) zu berichten, die wesentlicher Bestandteil von Art. 9 sind, befürchtete er eine zwangsweise Herabstufung in der SFDR-Klassifizierung.

Angesichts der derzeitigen regulatorischen Unsicherheit und der umfangreichen Schätzungen in Bezug auf ESG-Daten empfahl Kölsch eine Übergangszeit, in der Unternehmen ohne Angst vor rechtlichen Schritten agieren könnten. Das würde der Finanzwelt helfen, die Nachfrage der Anleger nach Informationen zur Nachhaltigkeit zu bedienen. Er sagte: „Die Nachfrage ist so groß, dass die Unternehmen nur schwer mit all den Regulierungsvorschriften zurechtkommen.“

Was die Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung angeht, wünscht sich Kölsch eine stärkere Konzentration auf das Wesentliche. Er stellte fest: „Das Hauptproblem liegt im Verständnis dessen, was Berichterstattung in Bezug auf Nachhaltigkeitsqualität bedeutet, weshalb die Nachhaltigkeitsqualität der Berichterstattung oft zweifelhaft ist“.

Zur Verdeutlichung dieses Standpunktes verwies er auf die Feststellung von Morningstar, dass sich die Anzahl der „nachhaltigen“ Fonds gemäß Artikel 8 und 9 der SFDR innerhalb eines halben Jahres verdoppelt hat, nachdem zuvor das jährliche Wachstum bei 20%-30% gelegen hatte.

Wenn man sich diese Zahlen ansieht, ist eine gewisse Skepsis, was die Nachhaltigkeitsqualität betrifft, verständlich. Hier könnten laut Kölsch extern vergebene Gütesiegel, wie FNG oder Nordic Swan, einen wertvollen Beitrag leisten.

Für die Zukunft sieht Kölsch die Taxonomie im Zusammenspiel mit SFDR als Schlüsselinstrument zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsberichterstattung an: „Die Grundbedingungen für den Erfolg dieses Tools sind erfüllt“, sagte er.

„Der hoch differenzierte Ansatz der EU-Taxonomie ist sehr gut. Die Einbeziehung von Capex und Opex [Investitionen und Betriebsausgaben] ist ein weiterer großer Pluspunkt, mit Blick auf künftige Investitionen. Das alles läuft auf eine große Transformation von der Gegenwart in die Zukunft hinaus.“

In Bezug auf die Offenlegung wünscht sich Roland Kölsch eine stärkere Inhaltsfokussierung: „Es wäre gut, die Offenlegung mit einem inhaltlichen Mindeststandard zu verbinden. Hierbei könnte ein 80/20-Regel helfen, die dafür sorgt, dass man sich auf das Wesentliche konzentriert und die zeitaufwändigeren kleineren Details für regulatorische Zwecke hinten anstellt“, sagte er.

Abschließend betonte Kölsch die Notwendigkeit eines pragmatischen Vorgehens. Er verwies auf ein Informationsportal, das die Deutsche Bahn als Waffen- und Rüstungskonzern einstuft, weil Rüstungsgüter per Bahn transportiert werden. Eine übertriebene Klassifizierung hat keinen Sinn, wenn sie letztlich irreführend ist.

Zusammenfassend zieht Kölsch eine positive Bilanz der in den letzten Jahren erzielten Fortschritte in der Nachhaltigkeitsberichterstattung, auch wenn es noch viel zu tun gebe. Er sprach von „tollen, riesigen Vorwärtsschritten“, als er die Fortschritte bei der Erarbeitung und Umsetzung von Regulierungsvorschriften beschrieb.

Er rechnet auch mit anhaltenden Verbesserungen, insbesondere wenn Nachhaltigkeitskriterien wie geplant ab dem Jahre 2025 verstärkt in die Finanzberichterstattung von Unternehmen des Finanzdienstleistungssektors aufgenommen werden.

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