Führende deutsche und Schweizer Ökonomen sehen Herausforderungen aus den finanziellen Belastungen des Krieges in der Ukraine auf die Versicherer zukommen

Der fiskalische und wirtschaftliche Druck durch die russische Invasion in der Ukraine – darunter auch der Inflationsdruck – könnte eine weitere Verhärtung auf den Versicherungs- und Rückversicherungsmärkten zur Folge haben, so die Chefvolkswirte führender deutscher und Schweizer Versicherer und Rückversicherer. Die größte Bedrohung sei indes die hohe Inflation, waren sie sich einig.

Wirtschaftsexperten der Allianz, der Münchener Rück und der Swiss Re waren sich in einem vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) veranstalteten Webinar einig, dass die durch den Konflikt verursachten direkten Versicherungsschäden nicht groß sein werden.

Die größte Bedrohung für den Versicherungsmarkt wird indirekt von der schnell ansteigenden Inflation, einem möglichen Kurseinbruch an den Kapitalmärkten und einem geringeren gesamtwirtschaftlichen Wachstum ausgehen, stimmen die Ökonomen überein.

„Die direkten Folgen [des Kriegs in der Ukraine] sind gering“, sagte Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Allianz SE, bei dem Online-Panel. „Die Hoffnungen auf eine Post-Corona-Konjunktur haben sich im Pulverdampf aufgelöst“, fügte er hinzu.

Die hohe Teuerung ist nach Ansicht der Volkswirte ein großes Risiko für den Sektor. Die Inflation in der Euro-Zone war im März auf einen Rekordwert von 7,5 Prozent gestiegen – getrieben vor allem von höheren Energie- und Rohstoffpreisen.

Für Jérôme Jean Haegeli, Chefvolkswirt von Swiss Re, liegen die Ursachen nicht nur auf der Angebots-, sondern auch auf der Nachfrageseite. „Die Inflation ist inzwischen weltweit Feind Nr.1. Damit können auch Wahlen gewonnen werden“, sagte er mit Blick auf den Präsidentschaftswahlkampf in Frankreich.

Die Ökonomen waren sich einig, dass die finanzielle und wirtschaftliche Instabilität zu einem verstärkten Preisanstieg führen könnte.

Dieser könnte sich nach Ansicht von Michael Menhart, Chefvolkswirt der Munich RE, sogar noch verschärfen. Viel hänge vom weiteren Verlauf des Krieges ab und einer möglichen Verschärfung der Sanktionen gegenüber Russland – inklusive eines Öl- und Gasembargos.

Nach Ansicht des GDV komme angesichts der hohen Teuerung der Fiskalpolitik – also einer stärkeren Rolle des Staates beispielsweise über Steuersenkungen – wieder eine größere Bedeutung zu. Die Ökonomen sprachen von einem so genannten „Regime-Shift“ weg von der Geldpolitik angesichts der Tatsache, dass die Notenbanken mit ihren Mitteln den aktuellen Preisauftrieb kaum dämpfen können. „Wir können die Energiepreise nicht deckeln, deshalb müssen wir den Bedürftigen helfen“, sagte Subran.

Ungeachtet der sozialpolitischen Folgen der hohen Inflation hält Subran weitere Schritte gegen Russland für nötig: „Handels- und Finanzsanktionen sind nicht genug“, meinte er.

Subran verwies auf die 700 Mio. Dollar, die Russland pro Tag für seine Energieexporte einnimmt. Eine weitere Verschärfung der Sanktionen wäre jedoch mit hohen Kosten verbunden, vor allem für Deutschland, bemerkte er.

Deutschland wäre wegen seiner industriell geprägten Wirtschaft von einem Gas- oder Ölembargo stärker betroffen als andere europäische Staaten. Jede Verringerung der Energieversorgung um ein Prozent hätte den Verlust von 30.000 Arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe zur Folge, so Subran.

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