Fokus Insolvenzrisiko: Deutsche Unternehmen plagen sich mit wirtschaftlicher Unsicherheit

Die Coronavirus-Pandemie hat die Welt weiter fest im Griff und die Regierungen müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass sie die Unternehmen nicht ewig mit Zuschüssen und staatlich geförderten Kreditversicherungen unterstützen können. Damit rückt die Insolvenzproblematik zunehmend in den Vordergrund.

Die deutsche Niederlassung der weltweit tätigen Anwaltskanzlei CMS befasste sich in ihrem jüngsten Webinar mit diesem dringlichen Thema, indem sie auf das Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG) und das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) einging.

Diese beiden Gesetze bieten von Insolvenz bedrohten Unternehmen ein gewisses Maß an Schutz und wurden beide erst in jüngerer Zeit verabschiedet. Das ESUG trat 2012 in Kraft und das StaRUG wurde Anfang dieses Jahres in Deutschland eingeführt, und damit vor Ablauf der Umsetzungsfrist bis Mitte 2021 der EU-Restrukturierungsrichtlinie vom 20. Juni 2019.

Wegen des zu erwartenden deutlichen Anstiegs der Insolvenzen in Deutschland im Laufe dieses Jahres behandelte das Webinar einige sehr wichtige Fragen, die Risikomanager in deutschen Unternehmen besonders beachten sollten, z. B. wie und ob sowie auf welcher Grundlage Vertragsbeziehungen unter Insolvenzbedingungen aufrechterhalten werden müssen, wie man Lieferketten absichert und wie man Haftungsfallen und Ausfallrisiken im Umgang mit insolventen Lieferanten und Kunden umgeht.

Wie Dr. Alexandra Schluck-Amend, Expertin für Unternehmensinsolvenzen und Restrukturierung bei CMS, am 15. April während des Online-Seminars kommentierte: „Alle Fachleute rechnen für dieses Jahr mit einer Insolvenzwelle“.

Eine wirksame Regulierung von Unternehmen, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden, kann wesentlich dazu beitragen, ein Abgleiten der Unternehmen in die Insolvenz zu verhindern.

Dabei ist es immer eine Gratwanderung, den Forderungen der Gläubiger gerecht zu werden und dabei dem Schuldnerunternehmen genügend Spielraum zu lassen, um seine Lage zum Besseren zu wenden. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass das Unternehmen eine realistische Perspektive hat, seine Schulden zu bedienen bzw. seine Gläubiger zu bezahlen.

Angesichts des aktuell außergewöhnlichen Geschäftsklimas ist das Störpotenzial durch mögliche Insolvenzen ein Grund zur Sorge. Die Wucht der Pandemie hat das Thema Unternehmensinsolvenz letztes Jahr etwas in den Hintergrund gedrängt, doch in diesem Jahr steht das Thema wieder ganz oben auf der Agenda, vor allem in den Sektoren, die am stärksten von der Krise betroffen sind.

Die Bundesregierung hat im ersten Lockdown umgehend gehandelt, indem sie das Zwangsinsolvenzverfahren aussetzte. Inzwischen hat sie das Moratorium dreimal bis Ende April dieses Jahres verlängert.

Doch wie Dr. Veronika Hefner betonte, ist das Moratorium an Bedingungen geknüpft. Das Unternehmen muss nachweisen können, dass seine Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Pandemie stehen. Außerdem muss es zwischen dem 1. November 2020 und dem 28. Februar 2021 einen Antrag auf staatliche Unterstützung gestellt haben. Damit soll verhindert werden, dass Unternehmen ohne Not in die Insolvenz gehen, weil sie staatliche Finanzhilfen zu spät in Anspruch genommen haben.

Somit ist die Insolvenzaussetzung an eine Reihe von beschwerlichen Auflagen geknüpft. Zum Beispiel müssen sie nachweisen, dass ihre Probleme mit dem Coronavirus zusammenhängen oder dass die ausstehenden staatlichen Finanzhilfen ausreichen, um ihre Finanzprobleme in den Griff zu bekommen. „Es ist ein kompliziertes Regelwerk, und die Unternehmen wissen nicht immer, woran sie sind“, kommentierte Dr. Hefner.

Das StaRUG eröffnet insolvenzgefährdeten Unternehmen grundsätzlich die Möglichkeit, sich zu restrukturieren und dabei die nachteiligen Folgen einer Insolvenz zu umgehen. Auf Basis des Gesetzes können die Unternehmen eine Auszeit nehmen und sich neu formieren.

Dr. Schluck-Amend unterstrich die folgenden Hauptmerkmale des StaRUG: die Möglichkeit, Restrukturierungsmaßnahmen fortzusetzen, auch wenn bestimmte Gläubigergruppen dies ablehnen; die frühzeitige Möglichkeit der Inanspruchnahme (bis zu 24 Monate vor potenziellem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit); das Schuldnerunternehmen behält die uneingeschränkte Managements- und Entscheidungsbefugnis; und Flexibilität bei der Restrukturierung.

Das ESUG hilft Unternehmen ebenfalls, Liquiditäts- oder Verschuldungsprobleme zu bewältigen. Es bietet einen dreimonatigen Schutzschirm, unter dem Unternehmen einen Plan unter der Aufsicht eines Treuhänders umsetzen können. Dabei haben die Gläubiger ein Mitspracherecht bei der Ernennung des Treuhänders.

Das ESUG verkörpert einen Paradigmenwechsel im Konzept des Gläubigerschutzes. Denn anstatt die Vermögenswerte des Schuldners zu schützen, wird der Schuldner bei der Restrukturierung und der Wiederaufnahme eines profitablen Geschäftsbetriebs unterstützt, mit dem Ziel, die Gläubiger befriedigen zu können.

Dr. Schluck-Amend merkte an, dass StaRUG und ESUG zwar eindeutig die Erfolgsaussichten von Unternehmen bei der Bewältigung schwieriger finanzieller Situationen verbessern, dass die Regelungen im Rahmen dieser Gesetze aber auch so früh wie möglich eingeleitet werden müssen, damit sie Wirkung zeigen können.

In der abschließenden Diskussion waren sich die Teilnehmer einig, dass die beiden Regelwerke StaRUG und ESUG eine wichtige Hilfestellung für insolvenzbedrohte Unternehmen bieten. Allerdings sei ihr Nutzen in dieser Krise auch wegen des enormen Ausmaßes der Finanzprobleme, denen sich viele der Unternehmen gegenübersehen, wenn sie diese Hilfe in Anspruch nehmen können, begrenzt.

Es bleibt abzuwarten, ob deshalb zusätzliche staatliche Hilfen notwendig werden, um das Problem in den Griff zu bekommen.

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