GVNW warnt Versicherer vor Marktausstieg der Kunden bei zu harten Erneuerungen

Der deutsche Verband für Risiko- und Versicherungsmanagement GVNW hat Industrieversicherer vor dem Risiko gewarnt, erhebliches Geschäft an alternative Märkte wie z. B. Captives zu verlieren, wenn sie im Vorfeld der kommenden jährlichen Erneuerungen zu aggressiv vorgehen oder unzureichend kommunizieren.

GVNW Vorstandsvorsitzender Alexander Mahnke nutzte seine Eröffnungsrede auf dem diesjährigen virtuellen Symposium, um die Mitglieder darauf vorzubereiten, dass nach aktuellen Erkenntnissen weitere Prämienerhöhungen, sinkende Kapazitäten, restriktive Vertragsbedingungen und Forderungen der Versicherer nach mehr Informationen bei der Erneuerung auf sie zukommen werden.

Er führte aus, dass jüngste Untersuchungen des GVNW und von Airmic in Großbritannien steigende Ausschlussraten in Schlüsselsparten wie Cyber sowie eine unzureichende Kommunikation seitens der Versicherer gezeigt hätten.

Alexander Mahnke sagte, er und die GVNW-Mitglieder verstehen den Druck, dem die Versicherer nach Jahren hohen Wettbewerbs in schwachen Märkten, steigenden von Menschen bewirkten und Naturkatastrophen verursachten Schäden, dem inflationären Anstieg der Haftungsansprüche in vielen Geschäftsbereichen und natürlich den großen Verlusten von Covid-19 sowie den niedrigen Kapitalerträgen ausgesetzt sind.

Der GVNW Vorstandsvorsitzender forderte die Versicherungswirtschaft jedoch nachdrücklich auf, ihre eigene Kostenbasis zu überprüfen, um die Marktverhärtung zu bremsen und sicherzustellen, dass sie die individuellen Leistungen des Risikomanagements angemessen berücksichtigt. Andernfalls besteht das Risiko, bedeutende langfristige Prämieneinnahmen und Kundenbeziehungen zu verlieren, fügte er hinzu.

Alexander Mahnke appellierte auch an Versicherer und Makler, konstruktiv mit den Kunden zusammenzuarbeiten, wenn sie ihre Risiken und Anforderungen an Versicherungsprogramme in diesem schwierigen Umfeld neu bewerten. Nur sehr wenige Akteure haben tatsächlich Erfahrung mit einem solchen Markt. Daher sollten wir alle an einem Strang ziehen, um gemeinsam die vor uns liegenden schwierigen Marktbedingungen zu meistern, so Mahnke weiter.

Alexander Mahnke begann seine Ausführungen mit der Feststellung, dass Covid-19 zwar den Marktdruck offensichtlich erhöht habe, der Markt sich jedoch bereits im Vorfeld verhärtet habe und viele GVNW-Mitglieder mit dem Marktverlauf unzufrieden seien.

„Es darf nicht vergessen werden, dass wir uns auf dem Industrieversicherungsmarkt auch ohne Covid-19 seit einiger Zeit deutlich verhärteten Bedingungen ausgesetzt sehen. Es ist wohl keine Übertreibung, in diesem Zusammenhang von einer Verkettung unglücklicher Umstände für die versicherungsnehmende Wirtschaft zu sprechen“, so Mahnke.

Er wies darauf hin, dass die Erneuerungen zum Jahresende 2019 schwierig waren, da die Kunden deutlich höhere Prämien, geringere Kapazitäten und im Allgemeinen zunehmend restriktivere Bedingungen akzeptieren mussten.

Der GVNW führte Anfang des Jahres gemeinsam mit Airmic eine Mitgliederbefragung durch und stellte fest, dass mehr als 90% der Mitglieder Prämienerhöhungen und fast 80% Kapazitätskürzungen hinnehmen mussten.

Knapp 50% der Befragten sahen sich mit zusätzlichen Ausschlüssen konfrontiert, und etwa 30% berichteten, dass überhaupt kein Versicherungsschutz gewährt wurde. Alexander Mahnke erklärte, dass sich mehr als 60% der GVNW-Mitglieder darüber beschwerten, dass die Kommunikation im Vergleich zu früher schlechter und/oder verspätet war.

„Insgesamt ist dies kritikwürdig und kann auf lange Sicht nicht im Interesse der Versicherer sein. Während die versicherungsnehmende Wirtschaft auf jeden Fall ein Interesse daran haben muss, dass die Versicherer nur den Versicherungsschutz anbieten, den sie im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und auf der Basis langfristig angemessen kalkulierter Prämien anbieten können, muss die Strategie der Versicherer auch weiterhin die langfristigen Kundenbeziehungen im Auge behalten und genügend Zeit für die Planung vorsehen“, so Mahnke.

„Eine Abkehr von dieser [partnerschaftlichen] Zusammenarbeit birgt eindeutig das Risiko einer dauerhaften Rufschädigung des Marktes und der dort angebotenen Lösungen. Dies wird von mehr als 50% unserer Mitglieder bestätigt, die bereits angaben, dass sie nach konkreten Alternativen in Form von Captives, Selbstbehalt und Kapitalmarktlösungen suchen“, fügte er hinzu.

Alexander Mahnke verwies auf die kürzlich veröffentlichte Ferma-Umfrage, die ergab, dass etwa 43% der befragten Unternehmen in Europa Interesse an Captives zeigen. Im Vergleich dazu waren 2018 nur 15% der befragten Unternehmen daran interessiert. „Dieser Trend ist sicherlich keine gute Nachricht für die Versicherer, da er ihr Geschäftsmodell langfristig in Frage stellt und dem Markt erhebliche Prämieneinnahmen entziehen würde“, so Mahnke.

Der GVNW Vorstandsvorsitzender fügte hinzu, dass einige Mitglieder auch den alarmierenden Trend beobachtet haben, dass der Ausschluss von Pandemien immer weiter ausgedehnt wird.

„Diese Ausschlüsse beziehen sich oft nicht (nur) auf die aktuelle Situation oder vergleichbare Pandemieszenarien, sondern schließen im Allgemeinen alle „übertragbaren Krankheiten“ oder auch nur das Risiko einer solchen Krankheit aus. Eine solche Entwicklung ist unserer Meinung nach besorgniserregend und bedroht die partnerschaftliche Zusammenarbeit aller Beteiligten, das Vertrauen in den Versicherungsmarkt und damit einmal mehr den Ruf der gesamten Branche“, sagte er.

Alexander Mahnke räumt ein, dass dieser sich verhärtende Markt für die meisten GVNW-Mitglieder, ihre Makler und Versicherer eine neue Erfahrung ist. Die Lösung, sagte er, erfordert eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, während die Risikomanager ihre Anforderungen an Risikobehalt und -transfer überdenken.

„Dies ist einerseits eine große Herausforderung für alle, andererseits bietet die Marktsituation jedoch meines Erachtens eine noch größere Chance. In diesem Umfeld zeigt sich für jedes Unternehmen der Mehrwert einer gut organisierten und professionell aufgebauten Versicherungs-Risikomanagement-Strategie. Eine professionelle Beratung, wie sie viele Maklerunternehmen anbieten, ist sicherlich hilfreich. Allerdings bedarf es auch hier eines breiten Know-hows, das keineswegs immer und überall verfügbar ist, wie man Kunden in einem schwierigen Markt berät und wie man mit Versicherern verhandelt“, erklärte Mahnke.

Er wies darauf hin, dass es in den letzten Jahren bei den Versicherern zu einer spürbaren Ressourcenkürzung gekommen sei, was in dieser schwierigen Zeit nicht hilfreich sei.

„All diese Entwicklungen machen uns als versicherungsnehmender Wirtschaft Sorgen. Wir hoffen jedoch, dass die Versicherer und Makler alles tun werden, um aus Sicht unserer Mitglieder die notwendigen Ressourcen bereitstellen zu können. Selbstverständlich geht das nur, wenn man sich mit aller Kraft auf den Kunden konzentriert und sich trotz verschiedener interner Herausforderungen – etwa durch die Folgewirkungen von M&A-Aktivitäten – nicht nur um sich selbst kümmert“, so Mahnke.

Der GVNW Vorstandsvorsitzender erinnerte bei dieser Gelegenheit die Versicherer auch daran, dass sie ihre eigene Kostenbasis überprüfen müssen, bevor sie versuchen, ihre Bilanzen allein durch Prämienerhöhungen auszugleichen.

„An dieser Stelle möchte ich meine Aufforderung vom letzten Jahr wiederholen, bei der Diskussion über angemessene Prämien stets Augenmaß walten zu lassen und vor allem bei der Prämienfestlegung daran zu denken, dass viele Versicherungsunternehmen nach wie vor ein angemessenes Gewinnpotenzial haben, das sich auch durch die Senkung interner und externer Kosten ausschöpfen ließe. Der GVNW steht jederzeit für eine konstruktive Diskussion zur Verfügung, mit dem Ziel, gemeinsame Lösungen zu erarbeiten“, betonte er.

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