Neue Risiken für deutsche D&Os durch das Lieferkettengesetz

Die deutsche Bundesregierung hat einen Entwurf für ein Lieferkettengesetz verabschiedet, nach dem deutsche Unternehmen mit Geldstrafen von bis zu 10 % ihres Jahresumsatzes belegt werden können, wenn sie Menschenrechtsverletzungen innerhalb ihrer globalen Lieferketten nicht nachgehen.

Hubertus Heil, der Bundesminister für Arbeit und Soziales (BMAS), hofft, dass die Entscheidung Deutschlands, ähnlichen, kürzlich in Großbritannien und Frankreich verabschiedeten Gesetzen zu folgen, die Europäische Union (EU) dazu veranlassen wird, die Pläne zur Einführung eines verbindlichen Gesetzesrahmens, der das Menschenrechts- und Umwelthandeln europäischer Unternehmen innerhalb ihrer Lieferketten regelt, noch in diesem Jahr voranzutreiben.

Das Europäische Parlament hat kürzlich einen Vorschlag des Rechtsausschusses angenommen, der die Europäische Kommission (EK) auffordert, „dringend“ ein Gesetz vorzulegen, das sicherstellt, dass Unternehmen zur Rechenschaft gezogen und haftbar gemacht werden, wenn sie die Menschenrechte, die Umwelt und die Grundsätze einer guten Unternehmensführung verletzen – oder hierzu beitragen.

Der Ausschuss sagte, dass die erhoffte Richtlinie den Opfern auch Zugang zu Rechtsmitteln garantieren sollte.

Das deutsche Gesetz soll noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden, die mit den Bundestagswahlen im September endet. Das Gesetz würde dann 2023 in Kraft treten.

Mit der Verabschiedung des neuen Gesetzes hat das BMAS deutlich gemacht, dass sich deutsche Unternehmen nicht mehr vor ihrer sozialen und ökologischen Verantwortung für das Handeln ihrer wichtigsten Lieferanten drücken können.

„Wir konsumieren Obst aus Afrika oder Südamerika, Schokolade von der Elfenbeinküste und Kaffee aus Brasilien. Wir tragen Kleidung, die in Asien gefertigt wird, unser Handy besteht aus Einzelteilen, die in der ganzen Welt hergestellt werden – und zwar von Menschen, die mit ihrer Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen“, heißt es im Ministerium.

„Unternehmen hier verdienen an dem, was in anderen Teilen des Globus erarbeitet wird. Darum stehen sie auch in der Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte entlang ihrer Lieferkette. Es reicht künftig nicht mehr, nur bis zu den eigenen Werkstoren zu schauen; Unternehmen sollen dafür einstehen, dass es in ihrer gesamten Lieferkette nicht zu Menschenrechtsverletzungen bei der Herstellung ihrer Produkte kommt. Das wollen wir jetzt erstmals auch gesetzlich durchsetzen. Das Lieferkettengesetz kommt – noch in dieser Legislaturperiode. Mit dem Gesetz wird erstmals die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten geregelt“, heißt es in der Stellungnahme des BMAS weiter.

Deutsche Risiko- und Versicherungsmanager werden dieses neue Gesetz ernst nehmen müssen. Dabei bedarf es einer Zusammenarbeit mit ihren Kollegen in den Rechtsabteilungen, um festzustellen, welche neuen Risiken und Haftungen bestehen und wie diese am besten verringert oder übertragen werden können.

Rechtsexperten haben bereits erklärt, dass das neue Gesetz Auswirkungen auf die gesamte Lieferkette deutscher Unternehmen und insbesondere auf die Haftung von Geschäftsführern und anderen Führungskräften (D&O) haben wird.

Die deutsche Niederlassung der führenden internationalen Versicherungsrechtskanzlei Clyde & Co in Düsseldorf stellt fest, dass Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen (Lieferkettengesetz) gekommen ist, weil deutsche Unternehmen Menschenrechtsverletzungen durch Zulieferer nicht ausreichend aufdecken und dagegen vorgehen.

Partner Henning Schaloske weist darauf hin, dass der verabschiedete Entwurf im Gegensatz zu früheren Überlegungen keine neuen Haftungspflichten einführen wird und damit weniger strikt ist als von der Wirtschaft befürchtet.

Das Gesetz wird gestaffelt eingeführt. Zunächst müssen sich nur große Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern daran halten. Ab 2024 fallen dann auch kleinere Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern unter das Gesetz.

Deutsche Risikomanager werden ihre Kompetenzen in der Berichterstattung weiter verbessern müssen, um die Anforderungen des neuen Gesetzes erfüllen zu können.

„Das Lieferkettengesetz enthält verschiedene Verpflichtungen, wie z. B. die Pflicht, Risikoanalysen durchzuführen und Maßnahmen zu ergreifen, wenn Verstöße entdeckt werden. Erfasste Risikobereiche sind z. B. Zwangsarbeit, Kinderarbeit und Umweltschäden. Darüber hinaus gibt es eine Verpflichtung zur jährlichen Berichterstattung über tatsächliche und potenzielle Menschenrechtsverletzungen, die durch das Handeln des Unternehmens verursacht werden“, erklärt Henning Schaloske.

Die zivilrechtliche Haftung für Menschenrechts- und Umweltverstöße wurde im Rahmen des neuen Gesetzes in Betracht gezogen. Es wurde jedoch beschlossen, stattdessen den Schwerpunkt auf Geldbußen zu legen.

Clyde & Co sagte, dass die Höhe der Bußgelder noch nicht genau feststeht. Aber laut Bundesregierung könnten sie bis zu 10 % des Jahresumsatzes betragen, im Einklang mit dem Gesetz zur Unternehmensintegrität und ähnlichen Bestimmungen in der Allgemeinen Datenschutzverordnung und dem Wettbewerbsrecht.

Da es für ein Unternehmen schwierig ist, alle Lieferanten zu überprüfen, hat sich das BMAS für eine stufenweise Verantwortlichkeit entschieden, die für indirekte Lieferanten jenseits der ersten Stufe gilt, erklärt Schaloske. Eine Risikoanalyse sei nur dann erforderlich, wenn ein Mitarbeiter eines indirekten Lieferanten eine Beschwerde an das deutsche Unternehmen richte, erklärt Henning Schaloske.

Die versicherungsrechtlichen Auswirkungen könnten erheblich sein und müssen von deutschen Risiko- und Versicherungsmanagern geprüft werden, rät er.

„Die neuen Compliance-Pflichten haben auch versicherungstechnische Auswirkungen. Dazu gehört neben den Sanktionen gegen Unternehmen auch nochmals gestiegene Risiken für die D&Os. Wichtige Fragen sind z.B. die Versicherbarkeit von Bußgeldern oder ob und inwieweit Unternehmen ihre D&Os in Regress nehmen könnten und, wenn ja, wie D&O-Versicherungspolicen an solche Ansprüche angepasst werden“, sagte er.

Als das neue deutsche Gesetz vorgestellt wurde, äußerte Bundesminister Heil die Hoffnung, dass es weitere Initiativen in anderen europäischen Ländern und auf EU-Ebene nach sich ziehen würde.

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